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Auf grüner Mission in Fernost

Bayerischer Naturschützer engagiert sich in Japan für Atomausstieg

  • Kathrin Zeilmann, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Atomausstieg in Deutschland ist beschlossene Sache. Eigentlich könnte sich Hubert Weiger nun zurücklehnen. Tut er aber nicht. Stattdessen reist der Naturschützer nach Japan, um dort gegen die weitere Nutzung der Atomkraft zu kämpfen.

Nürnberg. Natürlich, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung in der Atompolitik umgeschwenkt ist, freut Hubert Weiger. Für einen Ausstieg aus der Atomenergie hat er schließlich seit Jahrzehnten gekämpft. Aber die Arbeit geht dem Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Vorsitzenden des Bundes Naturschutz in Bayern deshalb trotzdem noch lange nicht aus. Seiner Meinung nach tut die Regierung zu wenig, um das Stromsparen zu fördern. Und für den globalen Kampf gegen die Atomkraft ist Weiger in diesen Tagen nach Japan gereist. Seit der Katastrophe von Fukushima sei man auch dort viel kritischer geworden.

Lob vom CSU-Minister

Eine erste Ahnung von der Brisanz des Themas bekam Weiger als Kind im elterlichen Forsthaus im Schwäbischen. Bauern protestierten damals gegen einen Reaktor in Gundremmingen. Die Politik tat sie als Hinterwäldler ab. Weigers Vater aber sagte: »Das sind die einzigen Vernünftigen.«

Die Liebe zur Natur, »die Achtung und der Respekt vor dem Leben« seien bereits in der Kindheit gewachsen, sagt Weiger, der später Forstwirtschaft studierte und 1972 als erster Zivildienstleistender im Umweltschutz zum Bund Naturschutz (BN) kam. Er blieb bis heute, machte Karriere im Verband.

Er ist kein Lautsprecher und keiner, der polemisieren will. Der Wissenschaftler mit Lehraufträgen in Kassel und München will mit Sachargumenten überzeugen. Für viele Themen hat er Studienergebnisse parat, die seine Thesen untermauern sollen.

Öko-Themen seien längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sagt der 64-Jährige. 175 000 Mitglieder gehören dem BN in Bayern derzeit an, Weiger steht seit 2002 an der Verbandsspitze. Auch die Parteien kämen längst nicht mehr an der Umweltpolitik vorbei.

Selbst die über lange Zeit harten Fronten zwischen der CSU und den Naturschützern scheinen gar nicht mehr so verhärtet zu sein, wenn Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) über Weiger sagt: »Ich schätze ihn als kompetenten und streitbaren Gesprächspartner sehr. Hubert Weiger ist starker Anwalt für die Natur in Bayern. Zusammen begleiten wir die Energiewende. Der Bund Naturschutz ist ein wichtiger Partner für die Umweltpolitik in Bayern.« Wobei es natürlich immer noch genug Streitpotenzial gibt: die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, der Donauausbau, die Autobahn durchs Isental.

Und auch die Energiewende läuft nicht ganz so, wie Weiger sich das vorstellt. Stichwort: Energieeffizienz. Allein durch den Stand-by-Betrieb von Elektrogeräten werde in Deutschland die Stromleistung von zwei Atomkraftwerken verbraucht. Durch effizientere Produktionsstandards könnte die Industrie jährlich riesige Beträge einsparen. »Es ist ein Phänomen, dass das Stromsparen in der politischen Realität einen so geringen Stellenwert hat.«

Bereits vor der Katastrophe von Tschernobyl war Weiger strikt gegen die Atomkraft. Stolz ist er, dass sein Verband gemeinsam mit anderen Interessengruppe ein Kernkraftwerk im fränkischen Viereth verhindern konnte. Zugleich erinnert er sich auch an die harten Auseinandersetzungen unter den Naturschützern. Viele seien früher ja für die friedliche Nutzung der Kernkraft gewesen, bis sich schließlich das klare Nein durchsetzte. »Die CSU hat jetzt das durchgemacht, was wir vor 30 Jahren diskutiert haben.«

Internationale Aufgabe

Als im Jahr 1986 in Tschernobyl die Atomanlage in die Luft flog, hat Hubert Weiger gerade in München seine Promotion abgegeben. Stolz war er, dass sich die langen Jahre Arbeit gelohnt haben. Und dann die Nachrichten aus der ehemaligen Sowjetunion, die nach Weigers Einschätzung von den hiesigen Politikern verharmlost worden waren. Ähnliches musste nun in diesem Frühjahr die Bevölkerung in Japan erleben.

Die Gefahr der Kernkraft sei dort bagatellisiert worden – trotz der Atombombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg. Zudem sei es in der japanischen Kultur nicht üblich, zu demonstrieren und zu protestieren. Das aber ändere sich nun unter dem Eindruck der havarierten Reaktoren von Fukushima.

Weiger ist derzeit selbst in Japan zu Gast, er will Reden halten, an Podiumsdiskussionen und Seminaren teilnehmen und die Japaner bestärken: Schließlich sei Deutschland als eine der führenden Industrienationen bei der Energiewende auf einem guten Weg. Japan könne beispielsweise durch Windkraft und Photovoltaik Strom erzeugen. Der Kampf gegen die Atomkraft ist für Weiger nicht nur eine nationale Aufgabe.

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