Linksfraktion droht mit Verfassungsklage

NRW-Landesregierung soll Landeshaushalt 2012 schneller als geplant vorlegen

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Linksfraktion im Landtag NRW hat die rot-grüne Minderheitsregierung gestern ultimativ aufgefordert, ihren Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 nicht erst zum Jahresende vorzulegen.

Der Etat könne ansonsten erst im März 2012 verabschiedet werden, so der Finanzexperte der Linksfraktion, Rüdiger Sagel. So gebe es keine Planungssicherheit für Kommunen und Verbände. Auch werde das Parlament übervorteilt. Die späte Vorlage sei zudem verfassungswidrig, da der Haushalt vor Beginn des Haushaltsjahres festgestellt und bis 30. September vorgelegt werden müsse. »Sie haben nur noch wenige Tage Zeit«, rief Sagel NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zu.

Die LINKE behalte sich ausdrücklich offen, eine Verfassungsklage anzustrengen, sagte Sagel. In einem Entschließungsantrag, der von allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde, spricht die LINKE von einem »wahltaktischen Manöver« und einer »Verschleppung« des Haushalts. Auch inhaltlich kritisiert die Linkspartei die rot-grüne Haushaltspolitik: Sie nehme Abstand von der bisher propagierten »präventiven Finanzpolitik« und setze stattdessen auf globale Minderausgaben, auf ein »Sparen um jeden Preis«. Die LINKE forderte eine Verbesserung der Einnahmen, will Spitzenverdiener, Erben und Millionäre zur Kasse bitten.

Auch die CDU-Fraktion kritisierte das späte Datum der Haushaltseinbringung. Die Regierung unterlaufe so das Budgetrecht des Parlaments und missachte die Landesverfassung. Dabei sei die Rechtslage eindeutig, so der Vize-Vorsitzende der CDU-Fraktion Christian Weisbrich. Er forderte das Parlament auf, das Verhalten der Landesregierung zu missbilligen. Ein entsprechender Antrag fand Zustimmung bei der CDU und der LINKEN – eine »Blockflöten-Zusammenarbeit«, wie der Grünen-Parlamentarier Mehrdad Mostofizadeh polemisierte.

Trotz Dementis in großer Zahl: Vielen Beobachtern gilt der Landeshaushalt 2012 als kühl eingeplante Sollbruchstelle der bisherigen rot-grünen Minderheitsregierung. Das entsprechende Szenario: Der Haushalt scheitert am Parlament. Neuwahlen kommen. SPD und Grüne gewinnen die Mehrheit der Parlamentssitze – und sind nicht länger auf das Wohlwollen anderer Fraktionen angewiesen.

NRW-Finanzminster Norbert Walter-Borjans begründet den späten Termin mit einem bunten Strauß von Argumenten: Mal mit den überaus schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen Rot-Grün 2010 ins Amt kam, mal mit der Krise der Landesbank WestLB, mitunter mit der schwarz-gelben Verfassungsklage gegen den Nachtragshaushalt 2010. Sogar die Sommerferien der Ministeriumsmitarbeiter müssen als Grund herhalten. Gestern fügte der SPD-Parlamentarier Stefan Zimkeit einen weiteren Grund hinzu: »Qualität geht vor Schnelligkeit.« Rot-Grün mache eine gute Politik und verfüge über entsprechende Umfragewerte, während CDU, FDP und LINKE in der Krise steckten, so Zimkeit. »Wenn schon Neuwahlen, dann jetzt«. Minister Walter-Borjans sprach von einem üblichen Verfahren. Auch im Bund würden Haushalte regelmäßig erst im laufenden Haushaltsjahr beschlossen.

Sowohl die Linkspartei als auch die CDU forderten gestern eine Aufstockung des »Stärkungspakts Stadtfinanzen«, der die klammsten der in NRW besonders klammen Kommunen teilentlasten soll. Rot-Grün will dazu 350, die LINKE 500, die CDU gar 700 Millionen Euro eingesetzt sehen. Der bisherige rot-grüne Plan sei de facto eine Verschlechterung, so die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Özlem Demirel. Sie monierte, dass den Kommunen harte Sparauflagen erteilt würden. Das sei ein »neoliberales Programm à la IWF«. CDU-Sprecher kritisierten, dass viele besonders hoch verschuldete Kommunen im Ruhrgebiet vom geplanten Pakt nicht profitieren würden.

Heftige Debatten lösten zwei bundespolitische Themen aus: Die Unterzeichnung des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens und die geplante Haushaltsabgabe für TV- und Radiogeräte. Ersteres wurde von Rednern von SPD, Grünen und LINKE als Skandal kritisiert. Schon jetzt würden 80 Prozent des aus Deutschland ins Nachbarland transferierten Geldes nicht versteuert. Nun kämen die Steuerbetrüger auch noch straffrei davon, so der Sozialdemokrat Hans-Willi Körfges.

»Das ist ein ungeheuerlicher Ablasshandel«, rügte auch Rüdiger Sagel die »faktische Amnestie« (»FAZ«), mittels derer die Bundesregierung zehn Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen generieren will. Auch die geplante Einführung einer GEZ-Haushaltsabgabe könnte am Veto aus NRW scheitern. Der entsprechende Staatsvertrag kann nur dann wie geplant 2013 in Kraft treten, wenn alle Bundesländer ihn ratifizieren. Doch im NRW-Landtag mehren sich die kritischen Stimmen – zumal, so Kritiker, die Rundfunkanstalten erneut an der »Gebührenschraube« drehen.

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