Gefährlicher Bauboom in Ostjerusalem

Weltweite Kritik an Israels Siedlungspolitik

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit massiver Kritik hat die internationale Gemeinschaft auf den Beschluss Israels zum Bau neuer Wohnungen in Ostjerusalem reagiert.

Ungeachtet der internationalen Bemühungen um Nahost-Friedensgespräche haben die israelischen Behörden jetzt 1100 neue Wohneinheiten im annektierten Ostjerusalem genehmigt, wo inzwischen rund 190 000 Israelis leben. US-Außenministerin Hillary Clinton zeigte sich tief enttäuscht über die Entscheidung. Sie sei kontraproduktiv für direkte Verhandlungen mit den Palästinensern. Allerdings war es die Obama-Regierung, die im UN-Sicherheitsrat eine Verurteilung der Siedlungspolitik mit ihrem Veto verhindert hat.

Auch Deutschland sieht die Genehmigung mit Sorge. Wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle betonte, stehe sie nicht im Einklang mit der Erklärung des Nahost-Quartetts, das nach dem palästinensischen Antrag auf staatliche Anerkennung durch die UNO ein Friedensabkommen bis Ende 2012 anstrebt. Drastischer formulierte es der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat, der von einer »Ohrfeige für die internationalen Friedensbemühungen« sprach. »Israel hat auf den Vorschlag des Nahost-Quartetts mit 1100 Neins reagiert.«

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisierte die Baugenehmigung ebenfalls scharf. Sie sollte rückgängig gemacht werden, denn »die Siedlungsaktivitäten gefährden eine Zweistaatenlösung«. Die palästinensische Seite hatte einen Baustopp zur Bedingung für neue Gespräche gemacht. »Wir haben bereits geliefert«, konterte der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu in der »Jerusalem Post« mit Blick auf ein zehnmonatiges Moratorium, das seine Regierung vor einem Jahr beendet hat. Ohnehin betraf es nur nicht angelaufene Bauarbeiten und nahm Ostjerusalem aus. Israel befürchtet, dass die UNO-Anerkennung eines palästinensischen Staates dazu führen könnte, dass der Siedlungsbau künftig vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verhandelt wird. Der arabischstämmige israelische Abgeordnete Ahmed Tibi hält eine Klage für wahrscheinlich, weil es hier um einen »eindeutigen Verstoß gegen das internationale Recht« gehe.

Die Siedlungen in den besetzten Gebieten sind eines der größten Hindernisse für Friedensverhandlungen. Seit 1967 hat Israel im Westjordanland rund 130 für über 300 000 Bewohner errichtet. Ihr Ausbau wurde laut einer Analyse der Friedensorganisation »Peace now« zwischen September 2010 und Ende Juli 2011 mit 2598 neuen Wohnungen besonders stark vorangetrieben. Das entspreche einer neuen Wohnung pro 123 Einwohner. In Israel selbst habe das Verhältnis im selben Zeitraum 1:235 betragen. Hinzu kommen etwa 100 »wilde« Siedlungen.

Zugleich zerstört Israel nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen seit Jahresbeginn verstärkt Gebäude im Westjordanland und in Ostjerusalem, insgesamt mindestens 387, darunter 140 Wohnhäuser. Das habe zur Vertreibung von 755 Palästinensern geführt, mehr als im ganzen Vorjahr. Außerdem habe Israel mindestens 20 Zisternen und zwölf Brunnen zerstört, was Folgen für den Wasserzugang von zehntausenden Palästinensern habe, so die UN-Experten. Sie sprachen jetzt vor dem Menschenrechtsrat in Genf von »nicht hinnehmbaren Menschenrechtsverletzungen«.

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