Ein Hauch von Wackersdorf
Protest gegen den Ausbau des Münchner Flughafens geht in eine neue Phase
»Man kann hier nicht leben, wenn Flugzeuge in 50 bis 80 Metern Höhe über die Häuser donnern. Das ist ein Angriff auf unsere Gesundheit, gebilligt vom Gesetzgeber. Wir sorgen uns um unsere Heimat, aber wurden mit fadenscheinigen Begründungen abgebürstet. Den Politikern geht es nur um Macht und Geld. Bei ihrer Ignoranz muss man doch wütend werden«, sagt Binner, Sprecher des Aktionsbündnisses. Auch wenn der Plan für den Flughafenausbau Hürde um Hürde genommen hat und die genehmigten Baupläne in den Rathäusern der betroffenen Gemeinden ausliegen: Die Startbahn-Gegner kämpfen weiter.
Der Widerstand rüstet sich für einen Herbst des Protests, mit Hochdruck werden Klagen vorbereitet. Die Angst vor dem Verlust ihrer Heimat und ihre Empörung über die Politik stacheln die bayerischen Wutbürger an.
Herbert Knur sieht die dritte Startbahn als Todesstoß für seine Gemeinde Berglern, deren Bürgermeister er seit dem Jahr 1990 ist. Die neue Flugschneise liege direkt über dem Ortskern, es sei mit enormem Lärm zu rechnen – da wolle doch niemand mehr wohnen, sagt Knur. Deshalb werde die Gemeinde klagen, ein Anwalt sei schon beauftragt.
Austritt aus der CSU
»Eine Demokratie lebt davon, dass auch Minderheiten geschützt werden. Wenn Profitmaximierung über Bürgerschutz steht, sind wir nicht mehr weit von chinesischen Verhältnissen entfernt«, sagt Knur. Der Ausbau sei ein politisches Prestigeobjekt, die Gesundheit der Bevölkerung werde gefährdet. Aus Protest ist Knur nach 35 Jahren aus der CSU ausgetreten. »Ich kann auf Parteitagen nicht mehr für die Politiker klatschen, die unseren Ort zerstören.«Auch in Freising hat der Stadtrat beschlossen, Klage einzureichen. Laut Bürgermeister Helmut Lackner (CSU) wird auch die Gemeinde Oberding klagen, er hat einem Anwalt bereits das Mandat erteilt. In die Klagewelle wollen sich auch der Bund Naturschutz in Bayern (BN) und viele Kläger aus dem Freisinger Ortsteil Attaching einreihen.
Ingo Anspach, Sprecher des Flughafens München, verweist dagegen auf die positive Wirkung, die der Flughafen für die Region hat. Mit 30 000 Beschäftigten sei der Flughafen einer der größten Arbeitgeber in ganz Bayern, er sei für die gesamte Wirtschaftsregion wichtig.
»Was die Auslastung des Flughafens angeht, operieren wir am absoluten Limit«, sagt Anspach. Die geschätzten Investitionen von einer Milliarde Euro würde der Flughafen sich nicht leisten, wenn der Bedarf für die dritte Startbahn nicht gegeben sei. Denn das Flugaufkommen werde bis 2025 auf bis zu 600 000 Starts und Landungen anschwellen, rechnet er vor. Aktuell sind es 400 000. Die Startbahn-Gegner sehen das anders, sie wollen ihrem Protest auch mit einer Demonstration am 29. Oktober in München Ausdruck verleihen.
»Die dritte Startbahn ist nicht nur ein Problem der Anwohner, sondern von ganz Bayern«, sagt Binner von AufgeMUCkt. Die Chancen, das Projekt doch noch zu kippen, stünden so gut wie nie, glaubt der Freisinger.
Ziviler Ungehorsam
Binner will in jedem Fall bis zuletzt kämpfen: »Ich bin immer noch Polizist mit Leib und Seele, aber jetzt bin ich auf der anderen Seite«, sagt er. »Wir lassen das nicht mit uns machen. Wenn tatsächlich die Bagger rollen, lasse ich mich anketten. Da prophezeie ich einen Hauch von Wackersdorf in Freising.« Für diesen Fall will er Kontakte zu Stuttgart 21-Gegnern nutzen, um sich in Sachen ziviler Ungehorsam schulen zu lassen.Und die Bayernflagge? Die will Binner erst wieder hissen, wenn die dritte Startbahn vom Tisch ist.
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