Tusk triumphiert, Palikot siegt
Wahldebakel für Polens Linksdemokraten: Parteichef Grzegorz Napieralski tritt zurück
In der 22-jährigen Geschichte des Parlamentarismus im »transformierten« Polen geschah es zum ersten Mal, dass eine Regierungskoalition für eine zweite Legislaturperiode ermächtigt wurde. Mit 39,2 Prozent der gültigen Stimmen errang die PO einen überzeugenden Sieg über die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des vormaligen Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski (29,9 Prozent). Donald Tusk betonte bei der Siegesfeier am Wahlabend, »die Polen« hätten sich für die Fortführung eines ruhigen, berechenbaren Regierungskurses in Zeiten der Krise in Europa ausgesprochen. Der Verlierer Kaczynski respektierte das Ergebnis, kündigte eine »scharfe Opposition« an und versicherte, dass seine Partei eines Tages dennoch siegen werde, so dass es »in Warschau so wird wie in Budapest«.
Der klare Sieg der bisher Regierenden - trotz zweifelhafter Voraussagen mancher Umfrageinstitute - war indes nicht die einzige Überraschung am 9. Oktober. Sensationell wirkt das Ergebnis für Janusz Palikot, dessen bunte Bewegung als dritte Kraft (10 Prozent und 40 Mandate) in den Sejm einzieht. Am Wahlabend schwor er seinen Anhängern, für »ein modernes, weltliches, soziales und freundliches Polen« zu wirken.
Die schwere Niederlage des Bundes der Demokratischen Linken (SLD), der nur auf 8,3 Prozent und 26 Sitze kam, erklärte dessen Vorsitzender Grzegorz Napieralski mit »der Feindseligkeit unserer Gegner und der Medien«. Napieralski wies damit Vorwürfe zurück, er habe mit seiner Personalpolitik und seiner Strategie die Niederlage verschuldet. Ein Parteikongress werde demnächst eine neue Führung wählen, er selbst werde jedoch nicht mehr kandidieren. Namen von Nachfolgern Napieralskis werden noch nicht gehandelt, allerdings weisen Beobachter darauf hin, dass der ehemalige Partei- und Regierungschef Leszek Miller in Gdynia ein Mandat gewonnen hat. Ein anderer »Altsozialdemokrat«, Wlodzimierz Cimoszewicz, gewann in seiner Heimat im Nordosten des Landes einen Sitz im Senat. Über 50 Prozent der dortigen Wähler vertrauten ihm abermals als »Unabhängigem«.
Altpräsident Aleksander Kwas-niewski warnte, dass dem SLD angesichts der rapiden Talfahrt - von 42 Prozent im Jahre 2003 auf 8,3 Prozent in diesem Jahr - das Aus drohe, wenn es so weitermache.
Politologen und Analytiker verweisen auf die Tatsache, dass das fatale Resultat des SLD unter anderem auf das Erscheinen Janusz Palikots auf der politischen Bühne zurückzuführen ist. Selbst Lech Walesa sagte, am Beispiel Palikots sehe man, dass mit den Menschen ehrlich, offen und klar gesprochen werden muss. Profil sei zu zeigen, offensiv müsse vorgegangen werden.
Ergebnisse einer Umfrage in Oberschulen am 30. September zeigen, dass die Bewegung Palikots womöglich mit 36 Prozent der Stimmen als Sieger aus den Wahlen hervorgegangen wäre, wenn auch die derzeitigen Oberschüler hätten abstimmen dürfen. Die junge Generation, bereits im Kapitalismus aufgewachsen, habe eine ganz andere Vorstellung über das Gemeinschaftsleben im Lande. Individualismus ist bei ihr gepaart mit dem Verlangen nach gerechtem Tun der Regierenden.
Anzumerken ist, dass die linke Polnische Partei der Arbeit (PPP), vor allem in Oberschlesien aktiv, 0,55 Prozent der Stimmen bekam. Die Angehörigen der deutschen Minderheit mit 0,27 Prozent der Stimmen erhalten im Sejm obligatorisch einen Sitz. Im Senat, der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, entfielen 63 Sitze auf die PO, 31 auf die PiS, 2 auf die Bauernpartei PSL und vier auf Unabhängige, darunter neben Wlodzimierz Cimoszewicz auch der SLD-Abtrünnige Marek Borowski und der bekannte Filmregisseur Kazimierz Kutz.
Bereits am Montagmittag empfing Staatspräsident Bronislaw Komorowski Premier Donald Tusk. Es gehe darum, schnell Koalitionsgespräche aufzunehmen, schnell zu beginnen, um die Stabilität des Staates zu sichern. Bereits am 27. und 28. Oktober soll die erste Sejmsitzung stattfinden, um über den Haushalt für 2012 zu beraten. Tatsächlich kommt auf die alt-neue Regierung eine schwierige Zeit zu: Die europäische Finanzkrise wird auch das Nicht-Euroland Polen vor große Herausforderungen stellen.
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