Gute Kassenlage durch die Krise
Bundesregierung nimmt hohe Zinsen ein
»Es kommen noch große Lasten auf Deutschland zu«, unkt Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts in München, wie gewohnt. Doch es kann auch dieses Mal ganz anders kommen als Sinn vermutet. Für Deutschland kann die Euro-Krise sogar zu einem Riesengeschäft werden, und besonders für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zahlt sich die Krise bereits aus: Griechenland und die anderen gestützten Krisenländer zahlen satte Strafzinsen, die Bundesbank wird milliardenschwere Extra-Gewinne überweisen und bei den 275 Milliarden Euro, die der CDU-Politiker Schäuble in diesem Jahr an eigenen neuen Schulden für den deutschen Staat aufnimmt, spart die Bundesregierung Zinsen im zweistelligen Milliardenbereich.
Die diversen Rettungspakete und der vom Bundestag abgesegnete Euro-Rettungsfonds EFSF kosten der Bundesregierung bis auf weiteres keinen Cent. Der EFSF besteht überwiegend aus Bürgschaften. Stattdessen wird ordentlich abgesahnt, denn Portugal, Irland und Griechenland zahlen hohe Strafzinsen für Hilfskredite. So überweist allein Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos für dieses Jahr 2 Milliarden Euro als Zinsen an den europäischen Finanzstabilisierungsfonds. Angesichts des deutschen Anteils an diesem Rettungspaket fließen allein 2011 aus Athen rund 400 Millionen Euro in die Kassen des Amtskollegen Schäuble in Berlin.
Kasse macht Bundesfinanzminister Schäuble auch über die Tochtergesellschaft der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bundesbank. Denn der Bundesbankgewinn wandert großteils in den Bundeshaushalt. Griechenlands Finanzminister - der seit Wochen bei der »Troika« aus EZB, Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds um eine Hilfszahlung von schlappen 8 Milliarden Euro nachsucht - überweist nämlich nicht nur 2 Milliarden Euro an Strafzinsen, sondern auch 16 Milliarden Euro Zinsen für reguläre Kredite. Von diesen 16 Milliarden strömt schätzungsweise die Hälfte zu Banken und Versicherungen, die andere Hälfte zur EZB, die zwischenzeitlich viele Euro-Krisenpapiere angehäuft hat. Für Schäuble dürfte daher aus dem Bundesbankgewinn für 2011 ein üppiger zusätzlicher Milliardenbeitrag herausspringen.
Doch die Euro-Krise lohnt sich für die Regierung Angela Merkels besonders beim eigenen Schuldenmachen. Denn die Renditen für Bundesanleihen sind auf einem Rekordtief angekommen. Seit dem Ausbruch der Schuldenkrise boomt die Nachfrage nach deutschen Schuldentiteln, da Profiinvestoren und Amateuranleger seither herdenweise in drei sichere Häfen fliehen: Gold, Schweizer Franken und Bundesanleihen.
Für insgesamt 275 Milliarden Euro plant der Bund, in 2011 neue Schulden aufzunehmen. Ein Batzen, der deutlich größer ausfällt als die Einnahmen durch Steuern und Abgaben. Die 275 Milliarden benötigt Schäuble, um alte Schulden zu tilgen, um Zinsen zu zahlen und um die Staatsausgaben zu finanzieren. Mittlerweile eine preiswerte Pflicht, denn an Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen muss die dafür zuständige Finanzagentur des Bundes in Frankfurt nur noch 1,96 Prozent Zinsen zahlen. Italien muss 5,65 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen zahlen, Irland 7,53 und Portugal 10,96. Selbst Frankreich, das mit Deutschland zusammen in der 1. Liga der Staatsanleiher spielt, muss infolge der Euro-Krise ein dreiviertel Prozent mehr Zinsen an die globalen Investoren zahlen. Dieser kleine Unterschied zeigt per Zinseszinseffekt große Wirkung: Die Euroflucht in Bundesanleihen beschert Finanzminister Schäuble nämlich eine außerordentliche Zinsersparnis von überschlagsweise 25 Milliarden Euro.
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