Vertrauen, nochmals: Vertrauen
Frankfurter Buchmesse: Hoffnungsvolle und enttäuschte Utopie – Leben und Werk der Karola Bloch
Viel zu oft noch verschwindet die Frau »an seiner Seite« im Dunkel der Geschichte. »Dieses Schicksal soll Karola Bloch nicht ereilen«, betont Welf Schröter.
Die Frau des Philosophen der »Konkreten Utopie« und des »Prinzips Hoffnung« hinterließ ein bemerkens- und bewundernswertes eigenes Werk. Schröter, Verleger, Vorstandsmitglied der Bloch-Gesellschaft, fühlt sich verpflichtet, es der interessierten Öffentlichkeit darzubieten. 2009 hat er zusammen mit dem Sohn Jan Robert Bloch den ersten Band der ehrgeizigen wie ehrbaren Edition herausgebracht. »Briefe durch die Mauer« offeriert die Korrespondenz der Blochs mit Jürgen und Johanna Teller, Freunden aus der Leipziger Zeit nach dem Weggang aus der DDR 1961.
Auf der Frankfurter Buchmesse nun stellte Welf Schröter einen zweiten Band vor: »Karola Bloch - Architektin, Sozialistin, Freundin«. Die Publikation wird eröffnet von einem einfühlsamen Porträt der Mitherausgeberin Irene Scherer über die engagierte und emanzipierte gebürtige Polin, die selbstbewusst einen Beruf ergriff, der damals noch Männerdomäne war. Und die sich zu behaupten wusste gegen manchen skeptischen Kollegen. Schröter, Freund und Vertrauter von Karola Bloch an deren Lebensabend: »Sie hatte ?eine freche Schnauze?, wie sie selbst sagte.« Sie tat ihre Meinung kund, auch wenn ihr dies Unannehmlichkeiten einbrachte. 1951 hatte sie »Zoff« in der DDR, so Schröter im Gespräch mit ND - weil sie den »Zuckerbäckerstil« von Stalin ablehnte.
Karola Bloch, eine Verehrerin Rosa Luxemburgs, glaubte an das sozialistische Wagnis. Sie war eine überzeugte Kommunistin. In einem Brief an das »Neue Deutschland« vom 21. Juni 1953 warnte sie davor, »die Schuld für die Ereignisse des 17. Juni hauptsächlich auf faschistische Provokateure zu wälzen« und appellierte zugleich, nicht nur an die Adresse des SED-Zentralorgans, sondern der sozialistischen Presse überhaupt, »Vertrauen, Vertrauen und nochmals Vertrauen zum Sozialismus und zu unserer Regierung zu vermitteln«. Sie wurde des Vertrauens beraubt. Es kehrte erst in den 80er Jahren zurück. »Wir, ehemalige DDR-Bürger, die wir in der BRD leben, weil wir drüben 1956 als Anhänger Chrustschows und der Reformen des XX. Parteitages verfolgt wurden, erklären uns skeptisch und hoffnungsvoll für die Politik Gorbatschows. Wir ermuntern unsere ehemaligen Genossen, vom sowjetischen Aufbruch zu lernen, die Legitimität der DDR durch revolutionäre Verbesserungen zu bestätigen und dem Lebensgefühl aufzuhelfen«, heißt es in einer Erklärung, veröffentlicht in der »taz« am 23. April 1987, unterzeichnet von Karola Bloch, Wolfgang Leonhard, Erich Loest sowie Ingrid und Gerhard Zwerenz.
Karola Bloch hat über die Jahre die Vorgänge in der DDR aufmerksam verfolgt, während ihren Mann diese nicht mehr sichtlich interessierte. Der Hoffnungs-Philosoph hatte keine Hoffnung mehr. Mit sichtlichem Stolz und schelmisch blitzenden Augen, erzählt Schröter, wie Kolleginnen nach dem Absturz der Blochs in die Ungnade bei der SED-Politaristokratie Karolas Texte in der DDR trotzig weiter publizierten, »natürlich unter einem Redaktionskürzel, um die Zensur auszutricksen«.
Im Band abgedruckt sind u. a. Skizzen für Kindereinrichtungen, ein Aufsatz über den Wiederaufbau der im Krieg zu 88 Prozent zerstörten polnischen Hauptstadt von 1953. Den Warschauer Ghettoaufstand hatte Karola Bloch als das »heroischste Ereignis« des Zweiten Weltkrieges bezeichnet. Nach dessen blutiger Niederschlagung sind ihre Eltern und ihr Bruder Izio sowie dessen Frau Andziula Tageslicht von den deutschen Antisemiten ermordet worden. »Andziula, eine hervorragende Tänzerin mit klassischer Ausbildung, hat im Ghetto Tanzstunden für Kinder gegeben. Tanzend wollte sie den Tod besiegen«, sagt Schröter.
Der Verleger macht auf das Faksimile eines leeren Briefumschlages im Band aufmerksam. Der Brief ist an die Eltern im deutsch-okkupierten Warschau adressiert; er war 1941 von Karola Bloch in New York aufgegeben worden und kehrte fünf Jahre später mit dem Vermerk »unzustellbar« zurück. Der Umschlag ist mit Stempeln übersät.
Der neue Band der Karola-Bloch-Edition ist liebevoll aufgemacht. Informiert wird auch über die Freundschaft mit dem Expressionisten Carl Friedrich Claus, der das »Prinzip Hofnung« von Ernst Bloch methaphorisch in seinen Arbeiten umsetzte, teils ganze Textpassagen aus dem wohl berühmtesten Werk des 1977 in Tübingen verstorbenen Philosophen in seine Graphiken einbaute.
Im buchstäblichen Sinne hoffnungsvoll ist ein Essay von Jan Robert Bloch, eine Hommage des 2010 verstorbenen Sohnes an seine Mutter. » ?Hoffnung ist militant, rebellisch, protestierend, aufsässig. Hoffnung ist kein gutes und braves Kind.« Hoffnung bestimme sich greifbar aus der Negation dessen, was ist. »Das Nein ist der Boden des Ja, das Nein ist der Produktionsort des Ja ? Eine Hoffnung, die das Lernen nicht verlernt hat, lässt uns hoffen. Auf bessere Zeiten.« Man möchte meinen, Jan Robert Bloch hat hier sein Vermächtnis für heutige soziale Kämpfe formuliert.
Irene Scherer/Welf Schröter (Hg.): Karola Bloch - Architektin, Sozialistin, Freundin. Eine neuentdeckung des Wirkens der Bauhaus-Schülerin. Talheimer Verlag. 392 S., br., 44 EUR.
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