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Im Zweifel ist guter Rat billig: Der Ombudsmann ist kostenlos
Verbraucher sind nicht wehrlos der Willkür der Konzerne ausgesetzt. Bei Ärger mit dem Versicherer können sie sich an einen Ombudsmann wenden. Tausende haben Erfolg mit ihren Beschwerden. Tausende scheitern aber auch. Frei nach Mark Twain ist ein Versicherer ein Unternehmen, dass seinen Schirm verleiht, wenn die Sonne scheint, und ihn sofort zurückhaben will, wenn es zu regnen beginnt. Ärger mit Versicherungsunternehmen gibt es also immer wieder.
Von schlechter Zahlungsmoral bis zögerlicher Bearbeitung
Legion sind Klagen über die schlechte Zahlungsmoral der Assekuranz oder die zögerliche Bearbeitung im Schadenfall. Schlimm kann es aber auch sein, wenn man erst gar nicht erwünscht ist. So soll ein Autoversicherer jahrelang Ausländer diskriminiert haben. Berichtet wurde, dass es usus war, bei ausländischen Mitbürgern einen Zuschlag von teils 100 Prozent einzurechnen, damit sie sich für einen anderen Versicherer entscheiden. Ein anderer Weg, um unliebsame Kundenanfragen abzuwimmeln, war die Forderung, den Jahresbeitrag in bar zu zahlen. Dabei ergibt sich das Verbot der Diskriminierung von Ausländern aus dem Versicherungsaufsichtsgesetz. In all diesen und vielen anderen Fällen konnte und kann der sogenannte Ombudsmann helfen.
Versicherungsbranche sträubte sich lange dagegen
Die Idee stammt aus Skandinavien: Ein unabhängiger Schlichter vermittelt zwischen Bürgern und Staat oder zwischen Kunden und Firmen. Das altnordische Wort »ombud« heißt so viel wie »Vollmacht«. Der erste Ombudsmann wurde in Schweden Anfang des 19. Jahrhunderts eingesetzt und sollte zwischen König, Regierung und Bürgern vermitteln. Erst viel später, in den 1970er Jahren verbreitete sich die Institution in Wirtschaft und Gesellschaft weltweit.
Auch in der Bundesrepublik haben mittlerweile viele Branchen Stellen eingerichtet, die vermitteln und moderieren, wenn Verbraucher sich mit einem Unternehmen streiten. Einen Bank-Ombudsmann gibt es seit 1992. Doch die Versicherungsbranche sträubte sich noch länger. Erst vor einem Jahrzehnt, im Oktober 2001, nahm eine Schlichtungsstelle ihre Tätigkeit auf.
Der Versicherungs-Ombudsmann und seine Mitstreiter in Berlin können verärgerten Verbrauchern helfen, zu ihrem Recht zu kommen. Für Verbraucher bietet das Verfahren aus Sicht von Oberschlichter Professor Dr. Günther Hirsch gleich eine ganze Reihe von wichtigen Vorteilen, so sei es effizient, kostenlos und schnell. Ein Ombudsverfahren dauert im Schnitt um die drei Monate. Ombudsleute seien eine gute Möglichkeit, Anwalts- und Prozesskosten zu sparen, sagen Verbraucherschützer. Und auch Unternehmen wissen mittlerweile das vereinfachte Verfahren zu schätzen. Denn es verringert Kosten und poliert das eher mäßige Image der Branche auf. So konnten Konzerne mit Einführung des Ombudssystems in Deutschland ihre hausinternen Abteilungen für Kundenreklamationen verringern, und sie ersparen sich, manchen Streit mit Kunden kostspielig vor Gericht auszutragen.
Weil die Schlichterinstitution von den Assekuranzunternehmen finanziert wird, liegt die Vermutung nahe, dass es letztlich nicht gänzlich unabhängig entscheidet. Solchem Verdacht widerspricht Hirsch, bis 2008 Präsident des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe. Der Ombudsmann sei unabhängig und keinen Weisungen unterworfen und als Entscheidungsgrundlage habe er Recht und Gesetz zu beachten. Trotzdem wünscht Hirsch sich, wie auch die Verbraucherverbände, eine selbstständige Institution.
So oder so kann sich der Gang zum Ombudsmann lohnen. »Außerdem vergibt sich ein Kunde nichts«, sagt ein Verbraucherschützer, schließlich sei die Arbeit des Ombudsmannes für Verbraucher kostenlos. Wer mit dem Schlichtungsergebnis unzufrieden ist, kann danach immer noch den Rechtsweg vor einem Gericht beschreiten. Das Ombudsverfahren bietet noch einen zusätzlichen Vorteil: Die Verjährung ist im Normalfall »gehemmt«. Sie können also das Schiedsverfahren beim Ombudsmann nutzen, um Zeit für Ihr weiteres Vorgehen zu gewinnen.
Wie läuft ein Verfahren beim Ombudsmann ab?
Verbraucher müssen dem Schlichter ihre Probleme schriftlich schildern und gegebenenfalls Kopien über den Schriftwechsel mit dem Unternehmen beilegen. Wenn der Ombudsmann das Anliegen für stichhaltig hält, holt er zunächst eine Stellungnahme des Versicherers ein. Schon das führt oft zu einem Einlenken des Unternehmens. Ist dies nicht der Fall, prüft der Ombudsmann, ob die Beschwerde berechtigt ist und trifft letztlich eine Entscheidung. Wenn es um Beträge bis 10 000 Euro (früher 5000 Euro) geht, ist der Schiedsspruch für das Unternehmen sogar rechtlich bindend!
Liegt der Wert höher als 10 000 Euro, muss das Versicherungsunternehmen sich allerdings nicht daran halten. Doch »erfahrungsgemäß«, so Hirsch, »folgen die Versicherer aber auch dann zumeist der Auffassung des Ombudsmanns«. Für Verbraucher ist die Entscheidung stets unverbindlich.
Im Geschäftsjahr 2010 nahm die Zahl der neuen Beschwerden um 1,2 Prozent zu. Der Ombudsmann schloss 18 609 Beschwerden ab. Etwa jede dritte davon war unzulässig und wurde von von vornherein abgelehnt. Andererseits war mehr als jede dritte Beschwerde erfolgreich. Als erfolgreich werden vom Ombudsmann solche Verfahren angesehen, die dem Versicherungsnehmer vollständig oder zum Teil den gewünschten rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil bringen.
Das Verfahren beginnt mit dem Eingang der Beschwerde beim Ombudsmann. Sie können wählen, auf welchem Weg Sie Ihre Beschwerde einreichen. Dabei stehen Ihnen das kostenfreie Telefon und das Internet offen; Sie können auch schreiben oder faxen. Sofern noch Angaben oder Unterlagen fehlen, werden die Beschäftigten der Schlichtungsstelle Sie darauf hinweisen. Dort sitzen Experten, die sich in Versicherungsfragen auskennen und Ihnen notfalls helfen, den Beschwerdeantrag genauer zu formulieren. Die folgende Prüfung wird von ausgebildeten Juristen durchgeführt.
Versicherungs-Ombudsmann, Postfach 080632, 10006 Berlin; Tel. (0800) 369 60 00; Fax (0800) 369 90 00; Email beschwerde@versicherungsombudsmann.de; im Internet unter www.versicherungsombudsmann.de.
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