Kamerad, wirf du die Bombe
»Pooling« und »Sharing«: Im Europaparlament werden Lehren aus dem Libyen-Krieg gezogen - zur weiteren Effektivierung des Tötens
Krzysztof Lisek aus Gda?sk ist Unternehmer. Er hat gelernt, mit Geld umzugehen. Das kommt ihm auch bei seinem EU-Job zu pass. Lisek ist stellvertretender Vorsitzender im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung und Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, Gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik des EU-Parlaments.
Lisek hat sich jüngst Gedanken um die Effektivität der Kriegsmaschine gemacht und die Begriffe »Pooling« und »Sharing« als »unbedingte Notwendigkeit« in die Debatte gebracht. Nicht alles, was der polnische Abgeordnete in seinen Bericht geschrieben hat, ist neu. Doch der Luftkrieg gegen Libyen lässt Versäumnisse in einem neuen Licht erscheinen. Klar ist: Ohne die USA sind die europäischen Partner nicht in der Lage, einen längeren Kampfeinsatz durchzustehen. Rasch gingen Munition und Ersatzteile aus, es fehlten Aufklärungskapazitäten.
Als Bittsteller in Washington erreicht man keine eigene militärische Weltgeltung. Auch wenn das noch so sehr ein erklärtes Ziel der angestrebten gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik ist. Lisek will, dass die bis zum i-Punkt in einem Weißbuch definiert wird. Doch billiger wird das Kriegführen so auch nicht. Zudem greift die globale Finanzkrise tiefer als gedacht in die Verteidigungsetats der 27 EU-Mitgliedsstaaten ein.
Liseks Vorschläge zu einer neuen militärischen Qualität EU-Europas sind im Grunde simpel und in der zivilen Wirtschaft erprobt. Sie besagen, dass nicht alle Staaten über die ganze Ausrüstungs- und Fähigkeitspalette verfügen müssen. Bestimmtes Material kann gemeinsam beschafft und nach Art eines zivilen Konsortiums genutzt werden. Es gibt auch beim Militär schon Beispiele dafür: AWACS, das fliegende Aufklärungs- und Feuerleitsystem, und das Satellitenprojekt »Galileo«.
Bei der Beschaffung von neuen Waffen und Geräten strebt man gleichfalls mehr Gemeinsamkeit an. Doch verpfuschte und überteuerte Vorzeigeprojekte wie der EADS-Militärtransporter A 400 M machen nicht unbedingt Mut, vorherrschende Konkurrenz beim Hochrüsten Europas zu beenden.
Auch im Bereich Ausbildung lässt sich durch weniger mehr erreichen. Beispiel: die gemeinsame französisch-belgische Pilotenausbildung. Frankreich und Großbritannien tragen sich mit dem Gedanken, Flugzeugträger gemeinsam an fremde Küsten zu schicken. Nicht jedes Land benötigt eigene ABC-Abwehreinheiten. Das European Air Transport Command (EATC) in Eindhoven ist ein Anfang, um gemeinsame Nachschubbedürfnisse zu lösen. Schließlich können die NATO-Eingreiftruppen oder die EU-Battlegroups jederzeit nach Bedarf zusammengemixt werden.
Bis zum Monatsende können weitere Vorschläge für eine effektivere Kriegsführung eingereicht werden. Mitte November beschäftigt sich der Auswärtige Ausschuss des Europa-Parlaments damit. Im Dezember will das Plenum dann Nägel mit Köpfen machen. Ähnliches hat offenbar auch Dänemarks Verteidigungsminister Nick Hakkerup vor. Er kam, so die Zeitung »Politiken«, auf den Gedanken, den dänischen Luftraum von deutschen Jägern sichern zu lassen. Schließlich hat die Bundeswehr ohnehin zu viele Eurofighter bestellt. Und wenn es »zur Sache« geht, schlagen sich die Deutschen ohnehin in die Büsche, zetern die Anbeter des Kriegsgottes Mars. Zwar besorgen sie in NATO-Stäben die Zielauswahl, doch öffentlich mögen sie nicht mitbomben. Siehe Libyen-Krieg. Auch nach Afghanistan schickte Berlin »nur Tornado-Aufklärer. Wenn also die Bundeswehr künftig über Kopenhagen kreist, könnten Dänemarks Piloten die über Libyen gezeigte Fähigkeit zum Bombenwerfen vervollkommnen.
Wie Luftraum-Sharing funktioniert, lässt sich seit 2004 am baltischen Himmel studieren. Im rotierenden System verlegt die NATO-Air-Policing-Maschinen auf den vorgeschobenen litauischen Luftwaffenstützpunkt Siauliai.
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