Opposition will Trojaner zügeln
Der Bundestag debattierte in einer Aktuellen Stunde über die Spionagesoftware
Der Mann, der im Zuge des Skandals um die Staatstrojaner zur Ausspähung im Internet immer weiter unter Druck gerät, war bei der gestrigen Aktuellen Stunde im Bundestag gar nicht anwesend. Den Platz von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nahm der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder ein. Mit seinem Fernbleiben hatte sich Friedrich nach einem peinlichen Statement einer für ihn unangenehmen Debatte entzogen. Kürzlich hatte der Innenminister dem Chaos Computer Club (CCC), der vor anderthalb Wochen den Staatstrojaner öffentlich gemacht hatte, vorgeworfen, für »Chaos« zu sorgen.
Die anwesenden Parlamentarier der Opposition waren dagegen voll des Lobes für den CCC. Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen sprachen sich dafür aus, dass der Staat die technische Kontrolle über die Entwicklung der Software haben müsse und diese nicht an eine private Firma abgeben dürfe. Jan Korte von der Linksfraktion verlangte den Stopp von Staatstrojanern. Die FDP forderte er dazu auf, dies zu unterstützen.
Dies werden die Liberalen aber wohl nicht tun. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte lediglich, man wolle künftig Manipulationsmöglichkeiten ausschließen.
Der Koalitionspartner der Liberalen setzt auf Überwachung ohne Einschränkungen. »Wir dürfen den Polizisten nicht ihre Dienstwaffe im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität im Internet entwenden«, sagte Ole Schröder. Er wies den Vorwurf zurück, der Einsatz von Staatstrojanern verstoße gegen die Vorgaben des Verfassungsgerichts zur Telekommunikationsüberwachung. »Es gibt keine verfassungswidrigen Online-Durchsuchungen«, so Schröder.
Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 ist die Online-Durchsuchung eines Rechners nur bei konkreter Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig. Für das Abhören von Internet-Telefonaten gelten die weniger strengen Regeln der Telefonüberwachung. Nach Angaben des CCC ermöglichte der Staatstrojaner neben der Überwachung von E-Mails und Telefonaten allerdings auch die Ausforschung von Festplatten.
Bereits am Vormittag hatte sich der Innenausschuss des Bundestages in geheimer Sitzung mit der Online-Spionage befasst. Dabei war es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Koalition gekommen. Abgeordnete der Union warfen FDP-Kollegen und denen der Opposition gleichermaßen vor, sie schürten Hysterie. Innenminister Friedrich hatte den Chef des Bundeskriminalamtes Jörg Zierke im Gefolge. Beide ließen nach Angaben aus Oppositionskreisen jegliches Problembewusstsein vermissen und versicherten, das BKA setze die vom CCC öffentlich gemachten Staatstrojaner nicht ein.
Nicht beantwortet wurden im Innenausschuss Fragen zum Leistungsvermögen der von einer privaten Firma entwickelten Trojaner-Software. So ist weiter unklar, inwieweit Dritte von der staatlichen Online-Durchsuchungspraxis profitieren können. Datenschützer warnen vor einem »Trojaner im Trojaner«. Da offensichtlich nicht einmal dem BKA die dafür notwendigen Quelldateien bekannt sind, bleibt auch die Kontrollbefugnis durch das Parlament Fiktion. Geplant ist offenbar, dass Sicherheitsbehörden künftig eigene Software zur Online-Durchsuchung entwickeln.
Derweil sind Experten der IT-Sicherheitsfirma Kaspersky auf eine neue Version des Trojaners gestoßen. Dieser unterstütze nicht nur die gängige 32-Bit-Ausführung von Windows, sondern auch das neuere 64-Bit-System. Die Liste der Programme, die Ermittler auf Rechnern von verdächtigen Personen überwachen wollen, sei zudem mit 15 Anwendungen länger als bisher. Demnach werden neben dem Datei-Manager von Windows, dem Browser Firefox und und der Telefon-Software Skype weitere Anwendungen fürs Telefonieren im Internet sowie Chat-Programme überwacht. Die Software besteht aus fünf Dateien, die in einem Installationsprogramm enthalten sind, das die Sicherheitssoftwarefirma F-Secure gefunden hat.
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