Rettest du meine Bank, rette ich deine
Eine grundlegende Neuordnung des europäischen Bankensektors scheitert an der Standortpolitik der EU-Staaten
»Zu groß um zu fallen, zu groß um erlaubt zu sein«, lautete ein beliebter Spruch auf den Occupy-Demonstrationen in Europa. Auch Attac wünscht sich kleine Banken und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel spricht sich für eine Trennung in Geschäfts- und Investmentbanken aus. Doch auf eine Zerschlagung der Geldgiganten dürften sich die Staats- und Regierungschefs auf ihrem EU-Gipfeltreffen am Sonntag nicht verständigen, sie neigen eher zu einer »Rekapitalisierung« der Banken. Dadurch würden diese jedoch noch größer.
Die Kakophonie der starken Worte im Vorfeld spiegelt wider, wie unübersichtlich die Interessenlagen sind. Wenngleich es so scheint, dass sich Frankreich und Deutschland auf einen Hebel für den Rettungsfonds EFSF geeinigt haben, streiten sie kurz vor dem wichtigen Gipfel über einen höheren Schuldenerlass für Griechenland. Bundeskanzlerin Angela Merkel drängt Nicolas Sarkozy, dass private Gläubiger, überwiegend Banken und Versicherungen, auf 50 bis 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Frankreich, dessen Banken zu den größten Inhabern griechischer Staatsanleihen gehören, will dagegen an den Vereinbarungen auf dem Euro-Gipfel am 21. Juli festhalten, hieß es aus Paris. Die Banken hatten dort einen Forderungsverzicht von 21 Prozent zugesagt. Frankreich fürchtet um seine Kreditwürdigkeit, sollten französische Banken vom Staat mit großen Milliardensummen gestützt werden müssen.
Auch aus der deutschen Bankenszene heißt es, ein Schuldenschnitt, der über das Vereinbarte hinausgehe, sei nicht zu verkraften. Aber auch dazu gibt es intern durchaus Widerspruch: »Sollte Griechenland seine Schulden nicht vollständig bedienen können, wird keine deutsche Bank in Existenznot geraten«, versichert Sparkassenpräsident Heinrich Haasis.
Ganz anders sieht das in Griechenland selber aus. Die griechischen Finanzinstitute schultern die größte Last der Staatsschulden Athens; und gleiches gilt für portugiesische und italienische Banken in ihren Heimatländern - bei einem radikalen Schuldenschnitt wären viele Kreditinstitute unweigerlich pleite. Daher gewinnt der Vorschlag, eine Rekapitalisierung der Banken zu wagen, für Politiker an Charme: Bankpleiten könnten wohl verhindert und auch die Angst der Wirtschaft vor einer Kreditklemme könnte gelindert werden. So kritisierte der Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, Thomas Lindner, die Kreditwirtschaft ungewöhnlich deutlich für ihren riskanten Kurs. Das zentrale Geschäftsmodell der Banken bekomme immer stärker »einen virtuellen Charakter« - und die verselbstständigten Finanzmärkte schlügen doch auf die Realwirtschaft negativ durch.
Eine Rekapitalisierung der Banken, wie sie auch in Bundesbank-Kreisen gefordert wird, könnte nach Lage der Dinge wohl nur vom Staat finanziert werden. Damit würden die Banken allerdings noch größer. Und die Beispiele Royal Bank of Scotland oder Hypo Real Estate mahnen, dass mit einer solchen Zwangs-Verstaatlichung nicht automatisch eine andere Geschäftspolitik verbunden ist. Die Schotten drohen für London sogar zu einem Fass ohne Boden zu werden.
Auch die Forderung nach einer Zerlegung der Großbanken in (brave) Geschäftsbanken für Sparer und Mittelstand sowie (zockende) Investmentbanken hat ihre Tücken. Das urdeutsche Universalbankprinzip, in dem beide Bereiche zusammenarbeiten und die Risiken also breit gestreut sind, trug dazu bei, dass viele Banken und Sparkassen einigermaßen gesund durch die Krise kamen.
Außerdem zeigte sich in den letzten Jahren, dass risikoarme Geschäftsmodelle nicht unbedingt vor einem Debakel schützen. So leiden in Österreich die Erste Bank und die Volksbank AG unter den Millionen an Kreditverträgen, die über Osteuropa ausgeschüttet wurden und nun auch Millionen Schuldner gefährden. Spanische Sparkassen, die viele Kredite an Häuslebauer vergaben, retteten sich erst durch Fusionen. Und die belgisch-französische Dexia, die an Kommunen Kredite vergibt, konnte gerade nur durch Verstaatlichung gerettet werden.
Trotz dieser Probleme dürfte es auch auf diesem EU-Gipfel wieder um die Standortpolitik der Staaten untereinander gehen: Rettest du meine Bank, rette ich deine - Größe und Geschäftsmodelle spielen dabei bestenfalls eine Nebenrolle.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.