Professionelles Verdrehen und Verschleiern
Marketingmethoden prägen die deutschen Hochschulen immer mehr
Heutzutage, wo so viel von ökologischem Wandel gesprochen wird, ist der Besuch einer Veranstaltung interessant, bei der die Referierenden etwa die erst kurz zuvor auf landes- wie bundespolitischer Ebene gescheiterte CCS-Technik zur Speicherung von Kohlendioxid in tiefen Erdschichten als leuchtendes Beispiel für eine Technologie der Zukunft propagieren, und ähnlich über die Pflanzen-Gentechnik sprechen. Dass die mit Wissenschaftsvermarktung betraute Tochterfirma der Technischen Universität Berlin am Montag ihr »Symposium Wissenschaftsmarketing« in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften abhalten konnte, erscheint somit fragwürdig. Denn ein Reflektieren über die zu vermarktenden wissenschaftlichen Produkte lag den mehr als 60 Uni-Marketing-Leuten aus vielen Teilen der Republik fern. Geschäftsgrundlage scheint zu sein, dass wissenschaftliche Neuerungen tendenziell immer soziale Wohltaten sind. Falls Widerstände in der Bevölkerung auftreten, ist es demnach eine Sache von Kommunikation und Vermarktung, das kritisierte wissenschaftliche Produkt in dem gewünschten positiven Licht erscheinen zu lassen.
Das Verhältnis der Begriffe »Kommunikation« und »Marketing« musste übrigens erst geklärt werden. Darüber, dass die seit Jahren politisch forcierte sogenannte Hochschulautonomie (was für Managementstrukturen in der Hochschulleitung steht) zu mehr Marketing führe, herrschte noch Einigkeit. Doch schon die einführenden Worte von Moderator Markus Lemmens, einem Wissenschaftsmedienunternehmer, bargen Diskussionspotenzial: »Die Exzellenzinitiative ist mit Kommunikation und somit mit Marketing verbunden.« Geht das unweigerlich Hand in Hand? Andere betonten später die Unterschiede, etwa, dass Kommunikation ja auf Gegenseitigkeit beruhe, während Marketing unilateraler Natur sei.
Diese Begriffsverwirrung um Öffentlichkeitsarbeit und Marketing gebe es auch in vielen Unternehmen, beruhigte Stefan Wegner - und lieferte unfreiwillig und indirekt ein Beispiel für sie. Lemmens stellte ihn nämlich als Vertreter einer großen »Werbeagentur« vor, worauf Wegner korrigierte: »Kommunikations- und Werbeagentur!«
Es war eine Veranstaltung der professionellen Verdreher und Verschleierer, die Kommunikation stets zur Wahrung materieller Interessen betreiben. »Wir durchbrechen die Grenze zwischen operativem Marketing und Kommunikation«, sagte denn auch Patrick Honecker, Pressesprecher der Uni Köln, in seinem mit englischen Begriffen gespickten Vortrag. Professoren, die Marketingbemühungen unwillig gegenübergestanden hatten, habe er mit dem »Ersatzbegriff Reputation« gekriegt.
Honecker gab noch ein Beispiel für den internen Hochschulwandel: »Studiengangmarketing muss Teil des ganzheitlichen Beziehungsmanagements sein«, müsse also sowohl nach außen als auch intern funktionieren. Werbung für Studiengänge wird wegen der bald anstehenden kleineren Jahrgänge nötig, die die Hochschulkonkurrenz verschärfen werden, und nicht nur die Angestellten sollen für sie eingespannt werden: Da die Studierenden selbst im und nach dem Studium zur Markenbildung der Universität beitragen können, sei zunächst ein »Bindungsmanagement« nötig, und für den Rest des Lebens ein »Alumni-Management«.
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