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Wie viel Geld hat ein Kreis?
Barbara Syrbe über freiwillige und unfreiwillige Aufgaben / Syrbe (LINKE) ist Landrätin des neu geschaffenen Großkreises Greifswald- Vorpommern.
ND: Frau Syrbe, Sie sind seit Montag Landrätin in Greifswald-Vorpommern. Dabei waren Sie strikt gegen die Kreisreform, die diese neuen Großkreise geschaffen hat …
Syrbe: Ich sehe das noch immer kritisch. Denn erstens wird aus zwei Armen kein Reicher. Zweitens glaube ich auch nicht daran, dass die Verwaltung so viel billiger wird. Die Entfernungen zwischen Bürgern und Ämtern sind sehr groß geworden, zumal die Kreisstadt Greifswald am Rande des neuen Kreisgebiets liegt.
Bei der Wahl hatten sich SPD und CDU gegen Sie verbündet. Wie regiert man gegen ein Kreisparlament?
Im Kreistag kann man manchmal sogar den Eindruck gewinnen, es handle sich bei CDU und SPD um nur eine Fraktion. Trotzdem ist es auf der Kreisebene nicht so, dass man »gegeneinander« Politik macht. Es ist manchmal schwierig, Mehrheiten zu finden, aber letztlich sehen ja alle die Probleme. Trotz unterschiedlicher Ansätze muss man da zusammenfinden. Zudem ist ja auch nur ein sehr geringer Anteil des Kreishaushalts frei zu vergeben.
Wie viel ist das etwa?
Für die sogenannten Freiwilligen Aufgaben bleiben etwa zwei Prozent; davon ist aber wiederum die Hälfte an »freiwillige« Aufgaben wie die Mitgliedschaft in Verbänden u.ä. gebunden. Zur Disposition steht nur etwa ein Prozent des Haushalts. Dafür muss man keine Gräben ausheben.
Wie konnten Sie sich gegen die CDU-Justizministerin Uta Maria Kuder durchsetzen, obwohl diese von SPD und CDU unterstützt wurde?
Nach zehn Jahren als Landrätin von Ostvorpommern hat sich wohl herumgesprochen, dass ich das kann. Außerdem werde ich dafür sorgen, dass der strukturschwache ländliche Raum auch künftig nicht hinter dem »Leuchtturm« Greifswald zurückstehen muss. Frau Kuder kommt ja ursprünglich aus der Greifswalder Verwaltung, ihr haben die Leute wohl weniger Ausgewogenheit zwischen Stadt und Land zugetraut. Und Landratswahlen sind natürlich Persönlichkeitswahlen.
Die LINKE hat sich gerade ein Programm gegeben. Wie wichtig ist das für Ihren Alltag?
Bedeutungslos ist das sicher nicht, aber an meiner Politik ändert der Beschluss erst einmal nichts. Und natürlich hatte die LINKE schon immer eine Programmatik, vor Ort etwa das Eintreten gegen Privatisierungen, die ja lange als aller Probleme Lösung galten. Es gibt aber auch Konflikte: Als LINKE bin ich z.B. für die Verkleinerung der Bundeswehr, als Landrätin kann ich mich über Kasernenschließungen nicht freuen.
Ihr Kreis gilt auch als rechtsradikale Hochburg. Was tun gegen die Braunen?
Das Land sollte nachhaltiger vorgehen. Statt immer neuer, kurzfristiger Projekte, die nach zwei Jahren Arbeit oft mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind, muss Bestehendes gestärkt werden: Die kleinen Feuerwehren auf dem Land, die Theater, die Schulen in kleinen Orten, die Kristallisationspunkte der Zivilgesellschaft sind, auch wenn nicht »gegen rechts« draufsteht. Aber hier regiert sehr oft der Rotstift; darüber kann ich mich wahnsinnig aufregen.
Fragen: Velten Schäfer
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