Nur der Anlandepunkt
Die neue Ostsee-Pipeline wird Lubmin nur wenig bringen - zumindest vorerst
Lubmin. Ein dichter Kiefernwald trennt das Seebad Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern vom europäischen Gasgeschäft. Während die kleinen maritimen Hotels am Strand des Greifswalder Boddens noch vereinzelte Herbsturlauber empfangen, trifft das russisch dominierte Firmenkonsortium Nord Stream nur drei Kilometer weiter Vorkehrungen für weit prominenteren Besuch. Kreml-Chef Dmitri Medwedjew und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werden hier gemeinsam mit weiterer europäischer Politprominenz am 8. November in einem symbolischen Akt den Gashahn der Ostsee-Pipeline aufdrehen.
Konzerne zögern
In anderthalb Jahren war die 1224 Kilometer lange Leitung durch die Ostsee verlegt worden. Im Westen wird das Gas nun sehnlichst erwartet. Fast die gesamte Kapazität des ersten Stranges von 27,5 Milliarden Kubikmetern pro Jahr ist nach Nord Stream-Angaben bereits verkauft.
Trotz der mehr als 100 Millionen Euro schweren Investition allein am Anlandepunkt im Industriehafen von Lubmin wird das Projekt für die Gemeinde nicht zur Jobmaschine. Zwölf Arbeitsplätze - davon zwei in der Betriebsführung von Nord Stream sowie zehn in Betriebsführung, Betreuung und Wartung der weiterführenden Wingas-Leitungen OPAL und NEL - entstehen den Angaben beider Firmen zufolge im Nordosten.
»Wir hoffen ganz stark, dass jetzt mit der Pipeline die Pläne zum Bau von Gaskraftwerken Auftrieb erhalten«, zeigt sich Lubmins Bürgermeister Axel Vogt (CDU) wenige Tage vor der Inbetriebnahme optimistisch. Vor zwei Jahren hatte sich in dem beschaulichen Seebad, das im Sommer von Urlaubern lebt, Widerstand gegen das damals geplante Steinkohlekraftwerk formiert, in der Folge wurde das Vorhaben aufgegeben. »Mit Gaskraftwerken werden viele Leute leben können«, ist Vogt überzeugt. Nord Stream selbst geht davon aus, dass die Erdgaspipeline »eine der relevanten Voraussetzungen« am Standort für den Bau von Gaskraftwerken schafft, wie Unternehmenssprecher Steffen Ebert sagt.
Doch die Planungen zum Bau von Gaskraftwerken am früheren Atom-Standort Lubmin kommen nicht voran. Auch wenn Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung im druckfrischen Koalitionsvertrag erneut ihren Willen bekundet, sich für die Ansiedlung solcher Kraftwerke einzusetzen.
Der Energiekonzern EnBW teilte auf Anfrage mit, dass die Inbetriebnahme der Pipeline zunächst nichts an den grundsätzlichen Positionen ändere. »Es gibt keine Investitionsentscheidung«, sagte EnBW-Sprecherin Friederike Eggstein. Neben einer Genehmigung sei der Abschluss eines wirtschaftlich darstellbaren Gasliefervertrages Voraussetzung für eine Investition. Und den gebe es bisher nicht. Auch die Energiewerke Nord (EWN), die die Rumpfplanungen vom gescheiterten Kohlekraftwerks-Investor Dong Energy für ein kleineres Gaskraftwerk übernommen haben, halten sich bedeckt. »Wir sprechen mit mehreren potenziellen Investoren«, sagt EWN-Chef Henry Cordes. »Es gibt aber keine finalen Beschlüsse.«
Hoffnung auf Steuergelder
Möglicherweise können das Land und die Gemeinde Lubmin von künftigen Steuereinnahmen aus dem Gasgeschäft profitieren. Das im schweizerischen Zug angesiedelte Konsortium Nord Stream betreibt in Lubmin seine deutsche Betriebsstätte.
Aufgrund der sogenannten internationalen Gewinnzurechnung werde ein Teil des Gesamtgewinns in Deutschland versteuert, erklärt Ebert. Grundlage dafür sei das Besteuerungsprinzip für ausländische Tochtergesellschaften. Zur Höhe der prognostizierten Einnahmen für den Gastransport und der Steuereinnahmen machte Nord Stream keine Angaben. Lubmins Bürgermeister Axel Vogt bremst indes überzogene und frühzeitige Erwartungen an Gewerbesteuereinnahmen. »Das Unternehmen muss erst Gewinne machen. Bisher wurde ja nur investiert«, erklärt er.
Von der Ansiedlung habe Lubmin trotz der wenigen Arbeitsplätze ja auch schon profitiert, meint der Gemeindechef. Die Fußballer des Vereins »Sturmvogel Lubmin« bekämen Unterstützung vom Sponsor Wingas. Im Kindergarten und bei der Jugendfeuerwehr habe Nord Stream die Computertechnik aufgerüstet.
Der Standort Sassnitz, an dem ein Großteil der Pipeline-Rohre mit Beton ummantelt wurde, konnte bisher keinen sichtbaren Gewinn aus dem Rohrwerk schöpfen. Das Werk des französischen Pipelinespezialisten Eupec stellt voraussichtlich den Betrieb nach dem Nord Stream-Auftrag ein, da es keine Folgeaufträge gebe, wie das Unternehmen jüngst mitteilte. Für die 200 Mitarbeiter laufen die Arbeitsverträge aus.
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