Druck auf Südafrikas Gewerkschaften wächst
Unzufriedenheit an der Basis und in der ANC-Regierung
Die Arbeitslosenrate in Südafrika beträgt 25 Prozent. Vor allem Junge und schlecht Ausgebildete finden keinen Job. Die ANC-Regierung unter Präsident Jacob Zuma und die Unternehmensverbände machen dafür auch die hohen Lohnforderungen der Arbeitnehmervertreter verantwortlich. In den letzten Jahren lag die Lohnentwicklung in Südafrika deutlich über der Inflation von vier bis fünf Prozent. Angesichts einer schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in Folge der globalen Krise reagieren die Unternehmen auf die steigenden Lohnkosten mit Entlassungen und dem Abbau von Normalarbeitsverhältnissen zu Gunsten von Leiharbeit und Zeitverträgen.
Seit geraumer Zeit plant die Regierung die Einführung eines Einstiegslohns für junge Arbeitnehmer, um deren Beschäftigung zu fördern. Südafrikas Gewerkschaftsdachverband COSATU lehnt dieses Vorhaben ab. Er fürchtet, dass dadurch Arbeitsplätze abgebaut werden könnten und das Lohnniveau insgesamt sinkt. Die Gewerkschaften halten auch deshalb an ihrer Ablehnung fest, da ihre Mitgliedsbasis selbst meist weit höhere Forderungen stellt und daher bei ihnen die Unzufriedenheit mit den Gewerkschaftsvertretern wächst.
Zuletzt kam Bewegung in die Lohnfrage, da Südafrikas Textilarbeitergewerkschaft einem Einstiegslohn zustimmte. Den Unternehmen ist es nun möglich, den Mindestlohn um 30 Prozent abzusenken. Dafür haben sich die Betriebe verpflichtet, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sofort reagierten andere Unternehmensverbände auf diese Entscheidung in der Textilwirtschaft und forderten ihrerseits Einstiegslöhne.
Druck verspüren die Gewerkschaften nun aber auch von ganz anderer Seite. Südafrikas Städte und Gemeinden drängen auf eine Gesetzesänderung. In Zukunft sollen die Gewerkschaften haften, sollten in Folge von Demonstrationen oder Streiks Schäden an städtischem Eigentum wie Straßen oder Gebäuden entstehen oder Streikende städtische Einrichtungen oder Läden plündern.
COSATU-Präsident Sdumo Dlamini reagierte prompt auf diesen Schritt des Gemeindeverbands Südafrikas, der die finanzielle Stabilität der Gewerkschaften bedrohen könnte. Denn häufig sind Demonstrationen oder Streiks in Südafrika von gewalttätigen Ausschreitungen begleitet. »Wir werden dagegen rechtlich vorgehen, aber auch öffentlich mobilisieren«, kündigte Dlamini an. Notwendig ist eine Veränderung des südafrikanischen Arbeitsrechts. Angesichts des Einflusses der Gewerkschaften auf die mit ihr eng verbundene ANC-Regierung ist abzuwarten, ob sich der Gemeindeverband durchsetzen kann.
Der Zorn auf die Gewerkschaften innerhalb des Regierungslagers ist in den letzten Jahren gewachsen. Der Streik in Krankenhäusern und Schulen, der das Land letztes Jahr für Wochen belastete, ist vielen im Gedächtnis geblieben. Offene Rechnungen mit den Gewerkschaften haben Regierungsvertreter aber auch deshalb, weil es vor allem die Gewerkschaften sind, die auf Korruption und Misswirtschaft hinweisen. Und auch die Gewerkschaftsforderung nach mehr Staatsengagement in der Wirtschaft, aktiver Beschäftigungspolitik und expansiverer Fiskalpolitik ruft im ANC wachsende Verärgerung hervor.
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