Verfassungsschutz unter Druck
Neue Ermittlungen um braune Terrorzelle / Merkel will NPD-Verbot prüfen
Der Druck auf die Geheimdienste steigt. Während noch immer große Unklarheit über die genaue Verwicklung des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz in die militante rechte Szene herrscht, werden Forderungen nach politischen Konsequenzen laut. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kündigte am Montag an, einen Umbau der Behörde prüfen zu wollen. Der thüringische Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) kann sich nach der Mordserie, die die Neonazis des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) zwischen 2000 und 2006 an migrantischen Kleinunternehmern begangen haben, laut dpa auch eine Zusammenlegung von Landesämtern vorstellen. Zunächst müsste jedoch das Vorgehen der Behörden im Fall der aus Jena stammenden Gruppe von Neonazis aufgeklärt werden. Nach nd-Informationen sprechen viele Indizien dafür, dass die Thüringer Geheimdienstler mindestens am Aufbau des militanten Kameradschaftsnetzwerkes »Thüringer Heimatschutz« beteiligt waren, aus denen der »NSU« hervorging.
Aufklärung forderte auch der thüringische Linksfraktionsvorsitzende, Bodo Ramelow. Die letzten 15 Jahre müssten neu aufgearbeitet werden, sagte er dieser Zeitung. Überdies forderte Ramelow eine Regierungserklärung der aus CDU und SPD bestehenden Landesregierung. »Das sind wir auch den Toten schuldig.«
Gegen die »NSU«-Frau Beate Zschäpe erließ die Bundesanwaltschaft am späten Sonntagabend Haftbefehl. Sie hatte sich vorige Woche den Behörden gestellt und kündigte an, im Falle einer Strafmilderung mit einer Kronzeuginnenregelung aussagen zu wollen. Gegen ihren am Samstag bei Hannover festgenommenen mutmaßlichen Komplizen Holger Gerlach wurde bereits in den 90er Jahren wegen der Versendung von Briefbombenattrappen ermittelt, der Verdacht hatte sich jedoch nicht erhärtet. Er sollte noch am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden.
Der Rechtsterrorismus sei »eine Schande und beschämend für Deutschland«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig. Sie sicherte zu, man werde »alles tun, um die Dinge aufzuklären«. Merkel sprach sich auch dafür aus, ein NPD-Verbot erneut zu prüfen. »Der von extremistischen Parteien und vielen Kameradschaften getragene aggressive Rechtsextremismus sei durch die Mordserie demaskiert worden«, zitierte die dpa aus einem Initiativantrag vom Parteitag. Welche Maske das gewesen sein soll, blieb freilich offen. Weder Alt- noch Neonazis haben je einen Hehl aus ihrer menschenverachtenden und gewaltverherrlichenden Gesinnung gemacht.
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