Blitzstarter aus Bodenmais
Michael Adam ist 26, schwul und bei der SPD - und er könnte Bayerns jüngster Landrat werden
Regen/Bodenmais. In anderthalb Wochen könnte Michael Adam (SPD) Bayerns jüngster Landrat sein. Der 26 Jahre alte Bürgermeister von Bodenmais am Bayerischen Wald bekam bei der Landratswahl im niederbayerischen Regen am Sonntag knapp 43 Prozent der Stimmen.
Am 27. November gibt es nun eine Stichwahl gegen den CSU-Kandidaten Helmut Plenk, der rund acht Prozent weniger bekam. »Das ist der Wahnsinn«, sagt Adam. »Dass der Abstand so riesig ist, damit hätte ich nicht gerechnet.« 2008 wurde er - 23 Jahre alt - völlig überraschend der damals jüngste Bürgermeister Deutschlands.
Seitdem ist er in Bayern den meisten Menschen ein Begriff - ebenso wie die Attribute, die immer wieder genannt werden, wenn es um ihn geht: ein blutjunger, evangelischer, offen schwuler Sozialdemokrat im katholisch-ländlichen Freistaat. Wenn es nach Adam ginge, stünden andere Attribute im Vordergrund: »ehrgeizig, offen im Umgang, gradlinig, nah dran«. »Ich bin keiner, der sich im Büro einsperrt, ich suche die Nähe zu den Bürgern«, sagt er. Der Kommunalpolitiker ist in unzähligen Vereinen und ein großer Freund von Bürgerversammlungen. »Wenn einen jeder kennt, dann spielen diese ganzen Attribute keine große Rolle mehr.« Wegen seines Alters sei der ein oder andere anfangs manchmal skeptisch, sagt Adam. »Aber dann verweise ich einfach auf meine Erfolge in Bodenmais.«
Adam sei seit seiner Kindheit in der Region verwurzelt, sagt Ulf Schröder, Landesvorsitzender der »Schwusos«, des schwul-lesbischen Arbeitskreises der SPD. Er sei immer er selbst geblieben. Wenn Adam etwas mache, dann mit 150 Prozent
Kein Missionar
Ob ein bayerischer Politiker evangelisch oder katholisch sei, spiele heute keine große Rolle mehr, glaubt Adam. Und die Zeiten der uneinnehmbaren CSU-Bastionen seien auch vorbei. »Die Leute schauen sich die Kandidaten an und entscheiden dann.«
Seine Rechnung scheint aufzugehen: Er ist beliebt in Bodenmais, wo er mit seinem Lebenspartner zusammenwohnt. Alle wüssten, dass er schwul sei. Angepöbelt worden sei er deshalb noch nie. »Die Leute finden das eigentlich ganz nett, höre ich immer«, erzählt Adam. Händchen haltend laufe er mit seinem Freund in Bodenmais trotzdem nicht herum. »Aber das würde ich auch nicht machen, wenn ich hetero wäre.« Er wolle nicht bewusst provozieren und keine Ikone der Schwulenbewegung sein. »Ich sehe da keinen missionarischen Auftrag.«
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland jubelt trotzdem. »Das kann man schon eine Sensation nennen«, sagt Sprecherin Renate Rampf. Adam leiste einen großen Beitrag: Bekannte Persönlichkeiten, die offen schwul oder lesbisch seien, trügen zu mehr Akzeptanz Homosexueller im Alltag bei. »Aus meiner Sicht zeigt das Wahlergebnis, dass auch in konservativen Regionen die Akzeptanz von Schwulen und Lesben als Politiker gestiegen ist.« Bayern habe sich lange Zeit sehr schwer damit getan, Homosexuelle zu akzeptieren. »Es gehört ausgesprochen viel Mut dazu, zu seiner Homosexualität offen zu stehen, gerade als Politiker«, sagt Rampf.
In der Kommunalpolitik blüht Adam auf. Er könne da sehr viel tun und schnell Erfolge sehen. »Mein Arbeitsplatz ist überall in Bodenmais.« Das Einzige, das ihn an dem Amt stört, ist sein nicht zu Ende geführtes Politikwissenschafts- und VWL-Studium.
Langfristige Planung
»Das wurmt mich in der Tat«, gesteht er. »Parallel konnte ich so ein Studium nicht machen.« Wenn es mit der Landratswahl klappe, wolle er mindestens zwei Wahlperioden Landrat bleiben. In der ersten werde schließlich nur die Richtung vorgegeben, in der zweiten dann zeigten sich die Ergebnisse. Aber es stehe ja noch nichts fest. »Stichwahlen haben bekanntlich ihre eigenen Gesetze.«
Die Wahl war nach dem Tod des langjährigen Regener Landrats Heinz Wölfl (CSU) nötig geworden. Er starb im August bei einem Autounfall. Der hoch verschuldete Kommunalpolitiker war seit 1994 im Amt. Bei den Landratswahlen 2002 und 2008 war er der einzige Kandidat.
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