Reeder schippern in den Superstau
Trotz Wachstums verdüstern sich die Aussichten für die deutsche Exportwirtschaft
Autos, Maschinen und landwirtschaftliche Produkte werden zum großen Teil per Schiff in die Bestimmungsländer transportiert. Die maritime Wirtschaft gilt daher als Frühindikator für die Entwicklung der weltweiten Konjunktur. Doch auf hoher See stehen die Zeichen auf Flaute.
Noch macht die maritime Branche nach außen auf Optimismus. Ihr Flaggschiff, der Hamburger Hafen, erreichte in den ersten neun Monaten 2012 ein Umschlagergebnis von 99 Millionen Tonnen, ein Plus von rund elf Prozent. Hafenrepräsentantin Claudia Roller ist für die Zukunft »zuversichtlich«. Und der weltgrößte Binnenhafen in Duisburg erwartet mit 130 Millionen Tonnen in diesem Jahr sogar einen Rekordumschlag. »Duisport« bildet das Scharnier zwischen den Nordseehäfen Antwerpen und Rotterdam und dem Ruhrgebiet. Doch Zwischentöne lassen aufhorchen: Erich Staake, Chef der Duisburger Hafen AG, sprach auf der Bilanzpressekonferenz am Montag davon, dass sich »die Entwicklung leicht abkühlt« und Roller erwartet für Hamburg 2012 höchstens eine »moderate« Aufwärtsentwicklung. Selbst vor der großen Krise im Herbst 2008 hatten die Akteure noch weit zukunftsgläubiger geklungen.
Mit Großcontainerschiffen wie der »Elly Maersk« behauptet die dänische Reederei Maersk ihre Spitzenposition. Doch die führende Container-Linienreederei kommt aus den roten Zahlen nicht heraus: Für das dritte Quartal meldete der dänische Konzern einen Verlust von 297 Millionen Dollar - im Vorjahresquartal gab es noch einen Gewinn von rund einer Milliarde Dollar. Zwar konnte Maersk die Zahl der transportierten Container deutlich steigern, doch die Transportpreise, die sogenannten Frachtraten, sanken schneller. »In der Containerschifffahrt erwarten wir nun einen Verlust für das Gesamtjahr, als Konsequenz aus den niedrigeren Frachtraten«, heißt es aus der Kopenhagener Zentrale. Der Marktpreis für die kurzfristige Verschiffung eines 20-Fuß-Standardcontainers (TEU) von Shanghai nach Nordeuropa lag demnach Ende Oktober bei 650 Dollar - im Januar kostete die gleiche Fracht noch über 1300 Dollar. Auch die Preise auf anderen Routen verfallen.
Mit dieser neuen Krise platzt eine selbst gemachte Spekulationsblase. Noch vor dem Höhepunkt der letzten Krise 2008/2009 hatten weltweit Reedereien, Schiffsfonds und Investoren mehr und immer größere Schiffe geordert. Dahinter stand die Erwartung, die Globalisierung kenne keine ernsten Krisen mehr, Warenhandel und die weltweite Arbeitsteilung würden sich ungebrochen fortsetzen. So wuchs die Welthandelsflotte von 2007 bis 2010 von 720 auf 960 Millionen GT. Die Gross-Tonnage (GT) ist eine Kennziffer für die Ladung, die ein Schiff fassen kann. Das Fassungsvermögen der globalen Schiffsflotte legte also in der Weltwirtschaftskrise um ein Drittel zu. Und damit ist noch nicht Schluss: Die Auftragsbestände im Weltschiffbau betragen weitere 9000 Schiffe mit zusätzlichen 260 Millionen GT.
Die Hälfte der weltweiten Schiffsfinanzierungen haben übrigens deutsche Banken in ihren Büchern. Vorher drücken die Überkapazitäten auf die Raten der Reeder. Besonders bei den sehr großen Schiffen mit einer Kapazität von mehr als 10 000 TEU gibt es ein wachsendes Überangebot. Zudem liefern sich die beiden führenden Container-Linienreedereien Maersk und MSC aus der Schweiz mit jeweils rund 500 Schiffen seit Längerem einen erbitterten Preiskampf.
Einen Superstau auf den Meeren fürchtet auch die weltweite Nummer fünf, Hapag-Lloyd. Die TUI-Tochtergesellschaft mit 140 Schiffen hat ebenfalls stark in den Ausbau ihrer Flotte investiert und weitere zehn Neubauten stehen im Orderbuch.
Noch gilt der Welthandel als stabil. Aber die eingetrübten weltwirtschaftlichen Aussichten deuten darauf hin, dass selbst die zuletzt erfolgsverwöhnte deutsche Wirtschaft im vierten Quartal kaum noch wachsen, vielleicht sogar schrumpfen wird.
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