Alaaf unterm Hakenkreuz
Kölner Ausstellung räumt mit dem Mythos vom karnevalistischen Widerstand in der NS-Zeit auf
Köln. Konrad Adenauer gab seiner Geburtsstadt Köln schon früh den Persilschein: Nirgendwo sei so viel »geistiger Widerstand« gegen den Nationalsozialismus geleistet worden wie in Köln, sagte er 1946 in einer Rede in der Kölner Uni-Aula. Doch mittlerweile ist selbst die letzte vermeintliche Bastion des Widerstandes in sich zusammengebrochen: Auch der Kölner Karneval glänzte während der NS-Zeit keineswegs mit Widerstandsgeist. »Kritik gab es nur von wenigen Büttenrednern in wenigen Zeilen«, sagt der Historiker Marcus Leifeld.
Die »Narrenrevolte«
In Köln fuhr schon 1934 ein antisemitischer Wagen im Rosenmontagszug mit - der erste seiner Art in Deutschland. Obendrauf standen als orthodoxe Juden verkleidete Karnevalisten, und am Wagen prangte die Aufschrift: »Die Letzten ziehen ab.« Hier handelten die Kölner Narren in vorauseilendem Gehorsam, erwartet wurden solche antisemitischen Ausfälle von ihnen in diesem frühen Stadium der Nazi-Herrschaft keinesfalls. Die Machthaber hätten den Karnevalisten noch keine Parolen vorgegeben, sagt Leifeld, Autor des Buches »Alaaf und Heil Hitler, Karneval im Dritten Reich«.
Lange Zeit galt die legendäre »Narrenrevolte« von 1935 als Beweis für die Unangepasstheit der Kölner Karnevalisten. In dieser Revolte setzte sich der organisierte Karneval in der Domstadt erfolgreich gegen die Gleichschaltung der Karnevalsfeierlichkeiten zur Wehr und konnte dabei auf Unterstützung in der Bevölkerung zählen.
Entgegen früheren Darstellungen wird die Narrenrevolte heute jedoch nicht mehr als Akt des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus verstanden. »Man wollte sich keineswegs regimekritisch zeigen, sondern es ging um den Erhalt der eigenen Autonomie«, sagt Leifeld. Die Karnevalsvereine wollten sich nicht die Organisation ihres Festes aus der Hand nehmen lassen. Insgesamt bewertet Leifeld den Kölner Karneval als »prinzipienschwache Interessengemeinschaft«.
Das NS-Dokumentationszentrum in Köln widmet dem Thema nun vom 18. November bis 4. März eine eigene Sonderausstellung: In »Kölle Alaaf unterm Hakenkreuz« wird Besuchern erstmals ein differenzierter Blick auf den Kölner Karneval von 1933 bis 1945 gewährt. »In dieser Ausstellung geht es um Schein und Wirklichkeit«, sagt Kurator Jürgen Müller.
Nur wenige Helden
Zu sehen seien schöne großformatige Fotos von der feiernden Bevölkerung, so Müller. Doch wer in die Karnevalswagen hineingeht, die in der Ausstellung aufgebaut sind, erhält einen Blick hinter die Fassaden. Monitore und digitale Bilderrahmen zeigen aufschlussreiche Fotos vom Straßenkarneval, Audiostationen geben zeitgenössische antisemitische Büttenreden wieder. Doch es hat auch einige wenige Helden des Karnevals gegeben. So erinnert die Ausstellung an den Kölner Büttenredner Karl Küpper, der als »d'r Verdötschte« in den 30er Jahren im Sitzungskarneval unterwegs war und sich trotz der Bedrohung auf der Bühne über die Nazis lustig machte. Er verspottete selbst den Hitlergruß, indem er den Arm hob und das Publikum fragte: »Is et am rähne?« (Regnet es?). 1939 verhängte ein Sondergericht ein lebenslängliches Redeverbot gegen ihn.
Die Ausstellung »Kölle Alaaf unterm Hakenkreuz« im NS-Dokumentationszentrum Köln ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Informationen im Internet unter: www.museenkoeln.de/ns-dok/
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