Sie darf nur einmal beansprucht und nicht in Raten aufgestückelt werden

Arbeitnehmer nimmt Auszeit für Pflegezeit

  • Lesedauer: 3 Min.
Für die Pflege eines nahen Angehörigen können Arbeitnehmer nur einmalig eine Auszeit beantragen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am 15. November 2011 (Az. 9 AZR 348/10).

Mit der erstmaligen Erklärung der Pflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber sei jeder weitere Anspruch erloschen. Das gelte selbst dann, wenn die genommene Pflegezeit unter der gesetzlich festgelegten Höchstdauer von sechs Monaten liege, urteilte der Neunte Senat des BAG.

Im Klartext heißt das: Arbeitnehmer dürfen die Pflegezeit zur Betreuung von Angehörigen nur einmal im Jahr in Anspruch nehmen. Die Pflegezeit von bis zu sechs Monaten im Jahr darf nicht in mehrere Raten aufgestückelt werden.

Die BAG-Richter wiesen mit ihrer Entscheidung die Klage eines Beschäftigten zurück, der für die Pflege seiner Mutter zu Hause bei seinem Arbeitgeber innerhalb eines Jahres zweimal für wenige Tage Pflegezeit beantragt hatte.

Der Sachverhalt: Unter dem 12. Februar 2009 teilte der Kläger der beklagten Arbeitgeberin mit, er werde im Zeitraum vom 15. bis 19. Juni 2009 seine pflegebedürftige Mutter (Pflegestufe I) unter Inanspruchnahme von Pflegezeit nach § 3 Abs. 1 PflegeZG in häuslicher Umgebung pflegen. Dem stimmte die Beklagte zu. Mit Schreiben vom 9. Juni 2009 zeigte der Kläger an, er werde seine Mutter auch am 28. und 29. Dezember 2009 pflegen. Die Beklagte widersprach dem. Der Kläger sei nicht berechtigt, für denselben Angehörigen Pflegezeit in mehreren Zeitabschnitten zu nehmen.

Der Betrieb hatte demzufolge den zweiten Antrag abgelehnt und wollte seinem Mitarbeiter für diesen Zeitraum, zwei Tage nach Weihnachten, allenfalls unbezahlten Urlaub gewähren.

Zu Recht, wie das Gericht nun entschied: Arbeitnehmer dürfen nur einmal im Jahr Pflegezeit beanspruchen. Dies gilt selbst dann, wenn die genommene Pflegezeit die gesetzliche Höchstdauer von sechs Monaten unterschreitet.

Ab 2012 gilt Neuregelung des Familienpflegegesetzes

Eine ab kommendem Jahr geltende Neuregelung (siehe nd-Ratgeber vom 30. November 2011, Seite 2) sieht Verbesserungen für pflegende Angehörige vor. Dem neuen Gesetz zufolge können Beschäftigte ihre Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre um maximal 50 Prozent reduzieren und dafür 75 Prozent ihres Gehalts beziehen. Im Gegenzug sollen die Beschäftigten im Anschluss an die Pflegezeit wieder Vollzeit arbeiten und dafür zunächst 75 Prozent ihres Gehalts erhalten - und zwar solange, bis der Saldo wieder ausgeglichen ist. Einen Rechtsanspruch für den Beschäftigten auf die Pflegezeit gib es allerdings nicht.

Der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann vom Verband deutscher Arbeitsrechts-Anwälte (VDAA) erläutert zum aktuellen BAG-Urteil näher: Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Pflegezeit (PflegeZG) sind Beschäftigte in Betrieben, in denen der Arbeitgeber mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Die Pflegezeit nach § 3 PflegeZG beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen höchstens sechs Monate (§ 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG).

§ 3 Abs. 1 PflegeZG gibt dem Arbeitnehmer ein einmaliges Gestaltungsrecht, das er durch die Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber, Pflegezeit zu nehmen, ausübt. Mit der erstmaligen Inanspruchnahme von Pflegezeit ist dieses Recht erloschen. Dies gilt selbst dann, wenn die genommene Pflegezeit die Höchstdauer von sechs Monaten unterschreitet.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -