Blut und Spiele
»Mad Circus - Eine Ballade von Liebe und Tod« im Kino
Volker Schlöndorff eröffnet ein kleines Festival im Berliner Traditionskino »Babylon« am Rosa-Luxemburg-Platz, »Mad Circus« - Eine Ballade von Liebe und Tod« des spanischen Regisseurs Alex de la Iglesia wird gleich gezeigt werden - und was er zu sagen hat, klingt auf fast schon unhöfliche Weise ehrlich: Diese Art Filme möge er nun mal gar nicht, da brauche man schon ein gehöriges Maß an Ironie - und hinterher ein Bier - um das auszuhalten. »Mad Circus« erinnert Schlöndorff an jenen Kitsch des spanischen Katholizismus, wo Madonnen Tränen aus echtem Blut weinen und auf Bildern von gemarterten Heiligen das grausame Detail ins Zentrum der Betrachtung rückt. Schlöndorff, der präzise Geschichtenerzähler des europäischen Kinos, dem die surreale Gratwanderung durchaus nicht fremd ist, hat hier - gleichsam im kalkulierten Effekt - gesagt, was auch in dieser Filmkritik stehen wird.
Dabei könnte man verwundert einwenden: Aber »Mad Circus« hat doch 2010 in Venedig den Silbernen Löwen für die Beste Regie und das Beste Drehbuch bekommen! Ja, aber die Jury stand unter Vorsitz von »Pulp Fiction«- und »Kill Bill«-Regisseur Quentin Tarantino - und der ist ja nun so etwas wie der Großmeister in Sachen blutiger Kolportage, von sadomasochistischen Schaustücken exorbitantester Art.
Was hat Tarantino in »Mad Circus« gesehen, das ihn so anzog - und was Volker Schlöndorff, das ihn so abstieß? Eine blutige Orgie, die sich als geschichtliches Metaphernspiel über die Franco-Diktatur versteht. Eine Splatter-Groteske als Geschichtsallegorie, in dem traurige Clowns Amok laufen. Alles an diesem Film ist Übermaß - so endet er als exaltierter Gewaltclip, wie er auch im Nachtprogramm eines Privatsenders laufen könnte. Es ist aufwendig produziert, aber wozu?
Im »Babylon« sitzt die versammelte spanische Botschaft, samt Botschafter und Verteidigungsattaché. Vielleicht sagt ihnen dieser Film ja etwas. Vielleicht mögen sie, wie Tarantino auch, diese Ornamentik der blutige Tränen weinenden Madonnen, diese offen zelebrierte Grausamkeit. Mir erscheint das auf unangenehme Weise etwas geradezu Wollüstiges zu besitzen.
»Mad Circus« ist wie ein böser Traum, in dem eine Oster-Prozession plötzlich zur Horror-Show mutiert. Man denkt an Stephen King, ausgesetzt inmitten der farbenübersättigten Zirkuswelt katholischer Rituale. Fleisch und Verwesung sind hier immer in einem Atemzug zu nennen.
Der Erklärungen, die man zur Legitimation von »Mad Circus« geben kann sind viele. Etwa: Der böse Clown stelle General Franco dar, jenen Alptraum, der für Regisseur Alex de la Iglesia immer noch heimlich über Spanien herrscht. Aber all das sieht man nicht in dieser ins Groteske getriebenen Gewaltorgie. Geschichte ist gewiss tatsächlich mit einem durch die Zeiten ziehenden Zirkus zu vergleichen. Der Film besitzt zweifellos Schauwert und hinterlässt immer eine Blutspur. Wem das als Filmaussage genügt, der ist hier richtig.
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