Bis zum Abpfiff immer weiter
Im Pokalachtelfinale lässt der THW Kiel den Berliner Handballern keine Chance und gewinnt souverän mit 39:28
Das Spiel war längst gewonnen. Vier Minuten vor Schluss führte der THW Kiel am Mittwochabend im Achtelfinale des DHB-Pokals bei den Füchsen Berlin mit zehn Toren Vorsprung. Doch Filip Jicha motivierte seine Mitspieler immer noch. Warum? Er sei Pessimist, wenn er Handball spiele, sagte er später. Nicht von Anfang an, erst seit zweieinhalb Jahren. Im Mai 2009 stand der Tscheche mit Kiel im Finale der Champions League gegen Ciudad Real. Das Hinspiel hatte der THW mit fünf Treffern Vorsprung gewonnen, im Rückspiel führten sie nach 40 Minuten mit vier Toren. Das bittere Ende ist bekannt. Die Spanier drehten das Spiel und holten den Pokal.
Aus dem Erlebnis hat Jicha gelernt. »Bis zum Abpfiff immer weiter«, lautet seitdem sein Motto. Und es hat ihn noch besser gemacht. 2010 wurde der technisch starke und wurfgewaltige Rückraumspieler zum Welthandballer des Jahres gewählt. In Berlin steuerte er sechs Tore bei, die Kieler erreichten mit dem 39:28 (17:14) souverän das Viertelfinale. Und Jicha war zufrieden. Weil er und sein Team nicht nachgelassen hätten. Passiert es doch einmal, macht es ihn »richtig wütend«.
Diese Einstellung fehlte den Füchsen an diesem Abend. Dabei waren sie selbstbewusst angetreten. Während Kiel anfangs nur durch Einzelleistungen zu Toren kam, erzielten die Berliner mit schnellen Pässen herausgespielte Treffer. Vor allem Spielmacher Bartlomiej Jaszka stellte den THW in Hälfte eins, in der er alle seiner fünf Tore warf, vor Probleme.
Auch nach der Pause deutete zunächst nichts auf ein Berliner Debakel hin. »Wir waren eigentlich immer im Spiel«, so Füchse-Kapitän Torsten Laen, »doch dann haben wir den Kopf verloren.« Ivan Nincevic's Treffer zum 26:28 in der 47. Minute war für zwölf lange Minuten der letzte für die Füchse.
»Das lag gar nicht an uns«, meinte Jicha bescheiden. Jedes Team habe in einem Spiel eine Schwächephase. Damit hatte der 29-Jährige aber nur teils Recht. Denn neben technischen Fehlern und Abwehrschwächen der Berliner, war auch der Torhüterwechsel beim THW mitentscheidend. »Ich bin ganz gut ins Spiel gekommen«, untertrieb Andreas Palicka maßlos. Sechs Paraden in Folge, darunter ein Siebenmeter, ließen die Kieler auf zwölf Tore davonziehen. Exemplarisch für die Selbstaufgabe der Füchse war der Treffer von Christian Zeitz zum 38:26 - aus 25 Metern!
Auf dem Papier war es ein absolutes Spitzenspiel: der Zweite gegen den Tabellenführer aus der stärksten Liga der Welt. Wie geht man dann mit einer solchen Niederlage um? Vor allem wenn man vorher gedacht hatte, »einen Schritt nach vorn« gemacht zu haben, wie Laen zugab. Der Berliner Kapitän wusste gleich eine Antwort: »Wir müssen das im Hinterkopf behalten, immer wieder daran denken und immer wieder sagen: So nie wieder.« Wie weit man kommen kann, wenn man aus einer bitteren Niederlage lernt, zeigen Filip Jicha und der THW. Für die in dieser Saison national noch ungeschlagenen Kieler heißt es auch nach dem Erfolg in Berlin: Immer weiter.
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