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Stärkung der demokratischen Kräfte

  • Barbara Unmüßig
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist beschlossene Sache: Die internationalen Truppen sollen bis 2014 aus Afghanistan abziehen. Es gibt Gründe für und gegen den Abzug. Die kriegsmüden westlichen Staaten haben ein klares Interesse an einem schnellen Abzug: Zu viele Tote, zu hohe Kosten, wenig sichtbare Erfolge weshalb der Einsatz vor den Parlamenten und der Öffentlichkeit kaum mehr vermittelbar ist. Der Übergang soll dann abgeschlossen sein, wenn die afghanische Regierung in der Lage ist, selbst Sicherheit im Land zu gewährleisten und sie für die Bevölkerung grundlegende Basisdienstleistungen bereit stellen kann. Die Bewertung, ob die afghanische Regierung für all das sorgen kann, wird weniger von Fakten denn von Zweckoptimismus geleitet sein. Die Zeit für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung ist knapp. In drei Jahren soll das gelingen, was in den letzten Jahren zu schleppend voran kam: der zivile Wiederaufbau Afghanistans.

Das Risiko, dass Afghanistan in einen neuen Bürgerkrieg zurück- oder einem erneuten Taliban Regime anheimfällt, besteht. Deshalb stellt sich die Frage, in welche Richtung sich Afghanistan während der Transition bis 2014 und danach entwickeln könnte und welche Einflussfaktoren wirken. Davon gibt es zahlreiche - innerafghanische und regionale Machtkonstellationen, das internationale Engagement beim zivilen Aufbau und die Zukunft der militärischen Präsenz.

Um der Rücknahme einiger demokratischer Errungenschaften in Afghanistan entgegenzutreten braucht es eine Proliferation demokratischer Kräfte und Prozesse in Afghanistan. Politische Institutionen müssen gestärkt, vor allem das afghanische Parlament muss endlich ernst genommen werden. Korruption ist leider endemisch, und es mangelt an Transparenz, die es den Bürgerinnen und Bürgern erlauben würde, Entscheidungen nachzuvollziehen und als Ergebnis demokratischer Aushandlungsprozesse zu begreifen. Und schließlich muss sich die Diskrepanz zwischen den Rechten auf dem Papier und der tatsächlichen Umsetzung spürbar weniger werden.

Demokratie erfordert Partizipation, weshalb eine vitale Zivilgesellschaft zentral ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich in den letzten zehn Jahren entfaltet; sie müssen weiter in ihrer Unabhängigkeit gestärkt werden. Nichts fürchten die demokratischen Kräfte mehr, als dass sie ihre demokratischen Spielräume und ihre Menschen- und Frauenrechte nach dem Abzug verlieren. Sie fordern deshalb von der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft den weiteren Bestand der afghanischen Verfassung. Frieden und Versöhnung ja, aber nicht auf Kosten fundamentaler Freiheiten und Rechte. Die Verfassung und die demokratischen Rechte sind nicht kompromissfähig. Zudem muss der Kultur der Straflosigkeit ein Ende gesetzt werden.

Ein guter Schritt zur Einbindung und Unterstützung der afghanischen Zivilgesellschaft ist im Zuge der Internationalen Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember in Bonn getan worden. Im Vorfeld hat die afghanische Zivilgesellschaft einen inklusiven und transparenten Meinungsbildungsprozess in Afghanistan organisiert. Sie haben nicht nur ihre Politikempfehlungen mit Blick auf die Konferenz in Bonn formuliert, sondern haben außerdem 34 Delegierte aus ihrer Mitte gewählt, die nach Bonn - zum Zivilgesellschaftliche Forum Afghanistan als auch zur Außenministerkonferenz - gereist sind. Alleine die Tatsache, dass sich unterschiedlichste afghanische Zivilgesellschaftsvertreter/innen in einen langen Austausch begeben haben, ist ein großer Wert an sich. Es war seit langem das erste Mal, dass sich die Akteure vernetzt haben. Denn es ist kein Geheimnis, die afghanische Zivilgesellschaft ist - wie überall auf der Welt - heterogen. Sie ist vielfältig in ihren politischen Interessen und Werten und nicht frei von ethnischen und religiösen Spaltungen.

Die afghanische Zivilgesellschaft überlegt nun, auf diesem Prozess aufzubauen und vereint den gesamten Übergangsprozess bis 2014 kritisch zu begleiten. Die Außenminister und die afghanische Regierung haben in ihrer Abschlusserklärung von Bonn versprochen, die Zivilgesellschaft zu stärken und weiterhin in die Zukunftspläne für Afghanistan einzubeziehen. Die Regierungen der Welt müssen für ihre Versprechungen, Afghanistan nicht sich selbst und den Taliban und Warlords zu überlassen - wie es nach dem Abzug der Sowjetunion in den 90er Jahren der Fall war -, zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu braucht es mehr denn je eine lebendige afghanische und internationale Zivilgesellschaft, die sich für Menschenrechte und ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit einsetzt.

Barbara Unmüßig, Jahrgang 1956, ist seit 2002 gemeinsam mit Ralf Fücks im Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.

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