Wo die Heidi jeden Zug begrüßt
Eine goldene Zeitreise von Luzern über Montreux zum Weihnachtsmann auf dem Rochers-de-Naye
Der Zug ist gleich am Ziel, Montreux und der Genfer See sind schon in Sicht. Als der GoldenPass-Panoramazug in einer 180-Grad-Kurve durch Sonzier fährt, winkt eine ältere freundliche Frau den Fahrgästen zu. »Das ist Heidi«, erfahren wir von Niklaus Mani. »Ob Sonne oder Regen, jeder GoldenPass-Zug wird von ihr begrüßt.« Die Pendler und das Zugpersonal wissen das und schicken einen Gruß zurück. Heidi leistet Schwerstarbeit, denn im Schnitt kommt alle 20 Minuten ein Zug an ihrem Haus vorbeigerauscht. Die alte Dame ist Deutschschweizerin, lebt aber schon lange am Genfer See. Für die Fahrgäste gehört sie zum GoldenPass wie die Schienen und Weichen zur Eisenbahn. »Das ist einfach so, dass diese Züge meinen Tag rhythmisieren. Das fängt an beim ersten Zug morgens in der Frühe, da schlafen alle noch«, erklärt Heidi ihre Leidenschaft. »Da kommen die Schüler, kommen die Reisenden. Und manchmal kommen auch Leute, die haben ein Gesicht, als hätten sie Essiggurken gegessen. Und dann, wenn ich ihnen guten Tag sage, plötzlich kommt ein Sonnenschein ins Gesicht. Und das ist mir eine große Freude.«
GoldenPass ohne Heidi geht gar nicht. Als Heidi im Sommer zu einer Operation im Krankenhaus war, starteten die vergeblich nach ihr Ausschau Haltenden eine Suchaktion auf Facebook: Wo ist Heidi? Daraufhin hängte ihr Mann am nächsten Tag ein Schild an die Gartentür: »Heidi ist im Spital in Chateau-d'Oex.« Wo sie dann etliche Fans auch besuchen fuhren.
Heidi hat sich schon einen besonderen Platz ausgesucht. Denn Montreux ist das Ende einer »goldenen Zugreise«. Auf den 210 Kilometern zwischen Luzern und Montreux überwinden die Züge des GoldenPass 879 Höhenmeter. Den tiefsten Punkt erreicht der Zug in Montreux mit 395 Meter ü.M., am höchsten kommt er in Saanenmöser bei Gstaad mit 1274 Meter ü.M. In Luzern beginnt die Reise. Sie führt über den Brünigpass (1008 Meter) und dann am Brienzer See entlang nach Interlaken. Hier heißt es Umsteigen in den Zug nach Zweisimmen. Dort beginnt die letzte Etappe Richtung Heidi und Montreux. Via Gstaad, der Eisenbahnviadukt hoch oben über dem Ort bietet einen beeindruckenden Blick auf das Bergdorf, geht es dem Ziel entgegen - mit etwas Glück oder guter Planung im GoldenPassClassic mit seinen nostalgischen Belle-Epoque-Wagen. Er verkehrt zwei Mal täglich zwischen Zweisimmen und Montreux.
In Montreux beginnt eine neue Reise. Die endet beim Weihnachtsmann. Dicht beieinander stehen die kleinen Passagiere mit ihren Eltern und Großeltern auf dem Bahnhof und drängen in eine Zahnradbahn. Die wird unter dem Dach der GoldenPass AG betrieben und fährt gleich elf Kilometer nach oben auf den 2042 Meter hohen Rochers-de-Naye. Das ist kein gewöhnlicher Gipfel. Denn hier oben wohnt der Weihnachtsmann, zumindest zeitweise. Das ist mit Finnland so abgesprochen, so dass diplomatische Verwicklungen ausgeschlossen sind. Der Bärtige hat oben sein Büro und im Hotel sein eigenes Zimmer.
Marcel, Michel, Marie und viele andere Kinder stehen mit Strahleaugen vor dem magischen Tunnel. »Da hinten wohnt er«, wissen sie. Noch 280 Meter trennen sie von ihm. Endlich. Da sitzt er auf seinem Sessel. Oder am Schreibtisch, um dem Engel zu helfen, wenn ganz viele Kinder da sind.
Niklaus Mani, der im wirklichen Leben in der Marketingabteilung der GoldenPass-Linie arbeitet und selbst zwei kleine Kinder hat, schwärmt: »Es gibt nichts schöneres als glänzende Kinderaugen.« Und die sieht er derzeit nicht nur zu Hause. Er gibt auf dem Rochers-de-Naye manchmal den Aushilfsweihnachtsmann. Die hauptamtlichen Bärtigen sind Eric und Jean-Marie. Eric ist Deutschschweizer, Jean-Marie Franzose. Sie beherrschen sechs bzw. sieben Sprachen. Beide sind professionelle Schauspieler am Theater in Morges bzw. Lausanne. Die Kinder werden in Familie empfangen. Die Eltern können vorher Geschenke abgeben und versorgen den Weihnachtsmann mit Informationen über den Nachwuchs. Die Kleinen bekommen zum Schluss vom Bärtigen ein Diplom.
Wer sich von der Welt des Bärtigen nach der Audienz nicht sofort trennen mag, kann bleiben. In jeder der sieben mongolischen Jurten haben acht Personen Platz. Herrlich, dort um den Tisch zu sitzen, wenn draußen der Schneesturm tobt.
Wie kommt der Weihnachtsmann, der ja eigentlich im finnischen Rovaniemi beheimatet ist, in die Schweiz? Das war so: Die Rentiere des Weihnachtsmannes flogen eines Tages über die Schweizer Riviera. Sie flogen etwas zu tief, mussten notlanden und stellten sofort fest: Hier gefällt es uns, hier bleiben wir. Die Tiere wohnen jetzt im Weihnachtsdorf Caux unterhalb des Gipfels, der Bärtige ganz oben im Haus des Weihnachtsmannes.
Seit 2004 ist Montreux Weihnachtsmannstadt Europas. Einen Weihnachtsmarkt unter Palmen am See kann Finnland bestimmt nicht bieten. Skilaufen unter Palmen auch nicht. In diesem Jahr gibt es sogar eine 500 Meter lange Loipe am Ufer des Genfer Sees.
Am Weihnachtsabend packen Eric, Jean-Marie und Aushilfsweihnachtsmann Niklaus wie jedes Jahr ihre »rote Dienstkleidung« ein und fahren nach Hause zu ihren Familien. Heidi aber wird auch am Weihnachtstag warm eingepackt im Garten sitzen oder an der Küchentür stehen, und jedem GoldenPass-Zug zuwinken.
- Infos: Schweiz Tourismus, Postfach 16 07 54, 60070 Frankfurt am Main, Tel.: (00800) 100 200 30 (gebührenfrei), E-Mail: info@myswitzerland.com, Internet: www.MySwitzerland.com
- Montreux: Montreux-Vevey Tourismus, Rue du Theatre 5, Postfach 251, 1820 Montreux, Tel.: (0041) 219 628 484, E-Mail: marketing@montreuxriviera.com, www.montreuxriviera.com, Weihnachtsmarkt: www.montreuxnoel.com
- GoldenPass-Panoramazug und Weihnachtsmann-Heimat auf dem Rochers-de-Naye und Buchung: Golden Pass, Rue de la Gare 22, 1820 Montreux, Tel.: (0041) 219 898 181, E-Mail: info@goldenpass.ch, www.goldenpass.ch
- Weihnachtsdorf und Haus des Weihnachtsmannes in Caux und auf dem Rochers-de-Naye: Von Ende November bis zum 24. Dezember (montags und dienstags geschlossen, auch der Weihnachtsmann und seine Engel brauchen eine Erholungspause)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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