Feiern mit Fußball trotz knapper Kasse
Die Domowina wird 100 Jahre
Ein Endspiel wäre ein schönes Geburtstagsgeschenk: Wenn am 24. Juni 2012 im Stadion Müllerwiese in Bautzen mit der »Europeade« die zweite Fußball-EM der Minderheiten zu Ende geht, gäbe es nach Ansicht von Bernhard Ziesch eine Wunschpaarung. Die sorbische Auswahl, wünscht sich der Geschäftsführer der Domowina, sollte auf die Kicker aus Südtirol treffen. Die Chancen auf einen Sieg wären zwar eher gering, glaubt Ziesch. Für die Sorben aber wäre auch ein Finaleinzug ein schöner Erfolg - passend zum 100. Jubiläum der Gründung der Domowina.
Als sich Vertreter von 31 sorbischen Vereinen am 13. Oktober 1912 im Hoyerswerdaer Ball- und Gesellschaftshaus versammelten, um einen Dachverband zu gründen, spielte Fußball noch keine Rolle. Ziel war es, die Verständigung sorbischer Vereine untereinander zu verbessern und sie so zusammenzuführen, dass sich alle Sorben als »Söhne eines Volkes fühlen«. So ist es in einem Kalender nachzulesen, den die Domowina anlässlich des Jubiläums herausgegeben hat und der in drei Sprachen, auf ober- und niedersorbisch sowie deutsch, über Vorhaben im Festjahr informiert.
Oratorium und Rock
Die kleine Minderheit, deren 60 000 Angehörige in der sächsischen und brandenburgischen Lausitz leben, hat sich dabei einen Kraftakt vorgenommen. Rund 40 Veranstaltungen sind geplant. Deutsch-Sorbisches Volkstheater und Sorbisches Nationalensemble planen neue Inszenierungen; ein Oratorium namens »Naleco« (Frühling) wird auf die Bühne gebracht - und zwar nicht nur in Cottbus und Rosenthal, sondern auch in der Dresdner Frauenkirche sowie in Prag. Im Mai wird, kurz vor dem Anstoß zur Fußball-EM, ein sorbisches Rock- und Popkonzert in Bautzen stattfinden. Im September befasst sich ein wissenschaftliches Symposium mit der Geschichte der Domowina; auch ein Buch und ein Film zum Thema sollen präsentiert werden.
Der Umfang des Programms erstaunt nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass es dafür kaum zusätzliches Geld gibt. Sorbische Institutionen wie das Nationalensemble oder das Sorbische Institut, das die Konferenz ausrichtet, müssen dafür ihre ohnehin immer knapper bemessenen Budgets anzapfen. Die finanzielle Absicherung des Programms »ist für uns eine große Herausforderung«, räumt Ziesch ein: »Große Sprünge können wir nicht machen.«
Mehr Geld für Stiftung
Allerdings hofft man bei der Domowina, dass durch das Festprogramm die Politik stärker auf die kulturellen Leistungen der Minderheit aufmerksam wird und darüber nachdenkt, ob der Etat der »Stiftung für das sorbische Volk« nicht doch einen Inflationsausgleich bräuchte - eine Frage, über die seit längerem gestritten wird.
Ganz allgemein geht es den sorbischen Vereinen, die in normalen Jahren nach Zieschs Worten »viel Kraft aufs Sparen« verwenden müssen, beim Feiern nicht nur um Selbstvergewisserung. Das Festjahr soll auch Lebenszeichen jenseits ihres Siedlungsgebietes senden: »Wir wollen zeigen, dass wir noch da sind«, sagt Ziesch, der das Programm als ein Zeugnis von »starker Vitalität« versteht.
Mit Werbeplakaten in Dresden oder Berlin können die Sorben nicht auf ihr Jubiläum aufmerksam machen. Immerhin erscheint aber im Oktober eine Sonderbriefmarke aus Anlass des Jubiläums. Und eine Finalteilnahme bei der Minderheiten-EM wäre wie ein Fünfer im Lotto. Das Endspiel, so zeichnet sich ab, könnte im MDR übertragen werden. »Ein sorbisches Sportereignis live im Fernsehen«, sagt Ziesch: »Das gab es noch nie.«
Heimat der Sorben
Die 1912 gegründete Domowina vertritt als politischer und kultureller Dachverband die Interessen von 60 000 Sorben. Ihr Name ist im Sorbischen ein poetischer Ausdruck für »Heimat«. Sie hat rund 7000 Mitglieder. Seit 2011 ist der 1983 geborene David Statnik ihr elfter Vorsitzender. (hla)
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