Frisur sitzt

Standpunkt von Thomas Blum

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten in Kurzfassung: Gemeinsamkeit, Zusammenhalt, Zuversicht, Heimat, Sicherheit, Stolz auf unser Land. Nichts Neues also, nur die alten, seifigen, lauwarmen Neppworte.

Neu aber ist die Inszenierungstechnik: Als eine Art hölzerner Märchenonkel steht Wulff inmitten einer erkennbar handverlesenen Schar von »Gästen«, die aussehen wie Laiendarsteller, die man mit einem überdimensionierten Schraubstock im Szenenbild festgeschraubt und denen man offenbar verboten hat, die Hände in die Hosentaschen zu stecken. Es sind Wulff zufolge »Frauen und Männer, die meine Frau und ich in diesem Jahr kennengelernt haben«. Ihre Anwesenheit soll dem Betrachter suggerieren, dass die Öffentlichkeit gebannt und euphorisiert bis in die Haarspitzen Väterchen Wulffs Ansprache lauscht.

Man wirft hier einen Blick in eine Parallelwelt, die mit der Realität so viel zu tun hat wie eine Puppenstube mit einem Schlachthaus.

In Wulffs kiloschwer mit Zuckerguss versehener Puppenstubenwelt ist nichts wahr: Jede Geste erscheint dem Zuschauer wie stundenlang einstudiert, die Betroffenheitsmiene wirkt wie eine erstarrte Grimasse.

Die Mutmaßung, dass das Amt des Bundespräsidenten eines ist, für das ein gehöriges Maß an Realitätsverlust die wichtigste Voraussetzung ist, ist nach der Betrachtung dieser Szene nicht mehr abwegig. Die Hauptaufgaben des Präsidenten, starres Lächeln, mechanisches Händeschütteln und Zurschaustellen gebügelter Oberhemden, fallen dann auch leichter.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -