28c3 - wo Nachtaktive fachsimpeln

Chaos Computer Club tagt vier Tage in Berlin

  • Uwe Sievers
  • Lesedauer: 3 Min.
Von wegen Chaos. Seit Wochen ist der Kongress ausverkauft wie ein Konzertereignis: Seit Dienstag tagt in Berlin der Chaos Computer Club.

Vier Tage lang veranstaltet der Chaos Computer Club (CCC) im Berliner Kongresszentrum am Alexanderplatz sein stets zwischen Weihnachten und Silvester stattfindendes Treffen. In den letzten Jahren nahmen daran jeweils über 3000 Hacker, Aktivisten und Interessierte teil, und der CCC rechnet auch in diesem Jahr mit entsprechend vielen Besuchern.

Als im November der Kartenvorverkauf begann, musste dieser nach wenigen Minuten abgebrochen werden, weil der Server wegen Überlastung zusammenbrach. Die Veranstaltung war schon einen Monat vor Beginn ausverkauft, es gibt nur noch wenige Tageskarten. Der Kongress gilt als das größte Treffen der Hackerszene in Europa, dementsprechend werden zahlreiche Vorträge in Englisch gehalten.

Das Kürzel 28c3 steht für den 28. Chaos Communications Congress. Dessen Themenspektrum ist vielfältig; neben technischen Themen werden viele politische Vorträge angeboten, die von Details zur Überwachung anlässlich der Proteste gegen die Naziaufmärsche in Sachsen bis zur EU-Datenschutzrichtlinie reichen. Die technische Seite behandelt vorrangig die Sicherheitstechnik von Computernetzen, Netzwerkprotokolle und Programmierverfahren. Aber auch Computerspiele sind ein großes Thema, und sogar Probleme der DNA-Analyse werden diskutiert. Nicht zuletzt wurden neue Erkenntnisse zum Staatstrojaner erwartet; jedoch leider erst nach dem gestrigen Redaktionsschluss des »nd«.

Die ganze Nacht über geöffnet

Drei parallel laufende Vortragsreihen bilden täglich den Kern der Veranstaltung. Das umfangreiche Programm geht bis Mitternacht - die letzten Vorträge beginnen erst um 23 Uhr. Dafür starten die ersten Vorträge erst um 11:30. Schon daran wird erkennbar: Hacker sind nachtaktiv. Das Kongresszentrum wird nicht etwa nach der letzten Veranstaltung geschlossen, sondern es bleibt die ganze Nacht geöffnet. Man findet auch weit nach dem offiziellen Veranstaltungsende noch viele Menschen in den Fluren und Sälen, die an ihren Laptops arbeiten, angeregt diskutieren oder auch auf der Suche nach Sicherheitslücken durch das Internet geistern.

Das Programm wird ergänzt durch Veranstaltungen spezieller Interessengemeinschaften, wie etwa die Lockpicker genannten Schlossöffner, die gerne vorführen, wie schnell sich ein gebräuchliches Sicherheitsschloss mit entsprechendem Können öffnen lässt. Kleinere Gruppen, die sich für ein Thema interessieren, tauschen sich in Diskussionskreisen aus, die als »Birds of a Feather« (BoF) bezeichnet werden. Diese Gruppen bilden sich oft erst spontan auf dem Kongress. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Initiativen sind mit Infoständen vertreten.

Eine leistungsstarke Internetverbindung ist auf dieser Veranstaltung selbstverständlich: die vorhandene Bandbreite beträgt 23 Gigabit/s. Der CCC gibt sich viel Mühe, um eine entsprechende Netzinfrastruktur bereitzustellen. Ein eigenes Netzwerkbetriebs-Center ist für den Aufbau des umfangreichen Hausnetzes zuständig, leistet den Besuchern bei Netzwerkproblemen Hilfestellung und überwacht das Netz, um Missbrauch zu verhindern. Daneben steht auch ein DECT-Telefonnetz zur Verfügung; so kann jeder ein haushaltsübliches schnurloses Telefon mitbringen und darüber kostenlos mit anderen Teilnehmern telefonieren oder Informationen über die diversen Hotlines des Veranstalters einholen. Auch in diesem Jahr ist geplant, darüber kostenlose Telefonate ins Festnetz zu ermöglichen, das funktionierte aber bis Redaktionsschluss noch nicht.

Live-Übertragung für Enttäuschte

Ein eigens für die vier Tage betriebenes Radioprogramm des CCC berichtet live vom Kongress, in verschiedenen Städten auf unterschiedlichen Frequenzen. Zusätzlich kann im Kongresszentrum und dessen Umgebung die Veranstaltung über einen DVB-T Fernsehsender mitverfolgt werden.

Enttäuschte Besucher beklagen überfüllte Säle bei den Top-Vorträgen. Für viele heißt es, eine lange Wartezeit in der Schlange vorm Saal in Kauf zu nehmen, ohne anschließend reinzukommen. Dann bleibt nur, den live übertragenen Vortrag über Bildschirme im Foyer anzuschauen.

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