Barmer-GEK: Zu viele Klinikbetten

Versicherer eröffnet jährliche Kostendebatte

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Es gebe zu viele Krankenhäuser in Deutschland, vor allem zu viele Betten - deshalb müssten Kliniken geschlossen werden, so der Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Krankenkasse Barmer GEK, Christoph Straub, gestern in der Presse.

Der Kassenchef wandte sich dagegen, den Kliniken den geplanten Sparbeitrag aus der Gesundheitsreform in Höhe von 600 Millionen Euro zu erlassen. Das hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Ende des Jahres gefordert, unter Verweis auf eine höchst angespannte personelle und finanzielle Situation. Straub hingegen sieht hierzulande eher Krankenhausstrukturen, die »größer und teurer sind als in anderen Ländern.« Im Laufe des Tages präzisierte er seine Kritik und ruderte halb zurück: Es ginge um mehr ambulante Versorgungsangebote und Strukturreformen. Die interdisziplinäre, personelle und technische Infrastruktur der Krankenhäuser solle häufiger ambulant oder für kurze stationäre Aufenthalte genutzt werden. »Ambulant-stationäre Einrichtungen« erscheinen neu, obwohl der Vorrang ambulanter Behandlung schon seit Jahren nicht nur gepredigt, sondern auch umgesetzt wird. Versicherungsvorstand Straub fordert nun die Verzahnung von ambulanten und stationären Angeboten, die im Markt Wettbewerbsvorteile verschaffen würde.

Länder sehen kein weiteres Sparpotenzial

Straubs Vorlage gibt einerseits den niedergelassenen Ärzten im Ringen um die Gesundheitsmittel Auftrieb, andererseits verlangt sie auch einen genaueren Blick in die Krankenhauslandschaft. Dort zeigt sich, dass staatliche Krankenhäuser öfter rote Zahlen schreiben als privat betriebene. Der jährlich erscheinende »Krankenhaus Rating Report« stellt fest, dass vor allem kleinere Häuser in kommunaler Trägerschaft in den nächsten Jahren an ihre Grenzen geraten werden. Hier schreibe schon jede fünfte Klinik rote Zahlen. Entsprechend kamen die ersten Protestreaktionen auf die Forderungen des Barmer-GEK-Vorstands von der Länderebene. Das Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz sieht die Zitrone ausgepresst, die Krankenhäuser hätten bereits einen wichtigen Sparbeitrag geleistet. Auch die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit verweist auf eine »beispiellose Reduzierung von Betten« in den vergangenen Jahren und bestreitet den Sinn weiterer Klinikschließungen. Der Deutsche Landkreistag beobachtet auf dem Land zum Teil schon eine Unterversorgung und mahnt die zumutbare Nähe ärztlicher Hilfe an.

Nun stiegen in den ersten drei Quartalen 2011 die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen um 4,2 Prozent je Versicherten. Entsprechend stellte das Deutsche Krankenhausinstitut in seiner jüngsten Umfrage fest, dass zwei Drittel der Krankenhäuser einen Überschuss erwirtschafteten. Den besseren Schnitt machen hier die privaten Kliniken, von ihnen arbeiten aktuell nur vier Prozent mit Verlust.

In den Wirtschaftsspalten der Medien ist hingegen häufiger von Übernahmen zu lesen. So stieg im Spätherbst der Helios-Konzern zum größten deutschen Privatbetreiber auf. Die Tochter des Gesundheitskonzerns Fresenius erwarb unter anderem 51 Prozent des Katholischen Klinikums Duisburg, das defizitär ist. Für immer mehr Kliniken gerät damit das Interesse der Anleger in den Fokus, Erwartungen von Patienten und Personal werden sekundär.

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