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Volksabstimmung zur Zerschlagung

Schottenpremier will seine Nation von Großbritannien trennen

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Schottenpremier Alex Salmond will eine Volksabstimmung zur staatlichen Trennung von England - im Herbst 2014. Britenpremier David Cameron und Oppositionsführer Ed Miliband wollen die Schotten ebenfalls abstimmen lassen, aber ein Jahr früher.

Kenner der schottischen und der deutschen Geschichte kommen auf einen historischen Parallelfall, als der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November 1918 vom Reichstagsbalkon die Republik ausrief: eine traditionelle Parteiforderung, aber vor allem ein taktischer Schachzug. Denn Karl Liebknecht hatte vor, vom Balkon des Hohenzollernschlosses die sozialistische Republik auszurufen, Scheidemann wollte dem Linken zuvorkommen.

Ähnlich sieht es bei der Abstimmung zur schottischen Unabhängigkeit aus. Nationalistenpremier Salmond hat im Mai 2011 seine regionale Parlamentswahl mit absoluter Mehrheit gewonnen; zwar besitzt er kein juristisches Recht, das schottische Volk über dessen Zukunft entscheiden zu lassen, aber sehr wohl ein moralisches. Umgekehrt können sich Cameron und sein liberaler Schottenminister Michael Moore auf juristische Reservatrechte stützen und das alleinige Recht zur Organisierung der Abstimmung vorbehalten, doch ein solches Verhalten würde die Zahl der schottischen Trennungsbefürworter in die Höhe treiben.

Die Verteidiger Großbritanniens, zu denen Tories, Liberale und auch Labour gehören, wissen von Salmonds steigender Beliebtheit im nördlichen Fünfmillionenland. Sie wissen aber auch, dass in der neuesten Umfrage des Ipsos/Mori-Instituts die Anhänger der Unabhängigkeit es auf nur 29 Prozent bringen. Mit der klaren Frage »Britannien, ja oder nein?« konfrontiert, würden die meisten Schotten die zweite Option wählen. So will Salmond abwarten und die Zeit für sich arbeiten lassen. 2014 feiern die Schotten den 700. Jahrestag der Schlacht bei Bannockburn, in der König Robert Bruce ein fünfmal größeres englisches Invasionsheer schlug und für 400 Jahre die Unabhängigkeit des Landes durchsetzte. Als die Kronen beider Länder vereinigt wurden, bestieg der Schotte James VI., Sohn von Maria Stuart, den englischen Thron, nicht umgekehrt.

Sicher will Salmond die Bannockburn-Feier vom Sommer 2014 sowie die Commonwealth-Spiele in Glasgow als Wahlkampfschlager ausnutzen. Aber er will nicht nur auf Vaterlandsliebe setzen, sondern mit Hilfe der Nordsee-Olförderung und der Whisky-Ausfuhren zum Sieg schreiten. Dazu verlangt er einen komplizierten Abstimmungsmodus mit einer dritten Option, der Möglichkeit größerer Rechte fürs schottische Parlament, um die Gegner der Unabhängigkeit zu spalten. Außerdem will er die Zulassung von 16- und 17-Jährigen zu den Wahlurnen, deren Unerfahrenheit sie für nationalistische Demagogie empfänglich machen soll.

Sicher überragt der Nationalistenpremier seine schottischen Konkurrenten - Johann Lamont für Labour, Ruth Davidson für die Konservativen. Aber der Block der Britannienanhänger schließt Gegner größeren Formats ein: Wann reaktiviert Labour beispielsweise den in seiner Heimat geachteten Gordon Brown? Vor allem wissen viele Schotten, dass die soziale Frage die nationale übertrumpft: Ein Glasgower Arbeitsloser hat die gleichen Interessen wie sein Bruder in Newcastle, hat aber mit dem Katastrophenbankier Sir Fred Goodwin in Edinburgh nichts gemein. Salmonds Optimismus-Predigten haben ihn weit gebracht, aber seine Wirtschaftsrezepte, in denen Schotten aller Klassen zusammenarbeiten sollen, erinnern an die Schlangenölverkäufer im wilden Westen der USA. Noch ist der machtgeile Schottenpremier aufzuhalten. Aber dazu müssen seine Gegenspieler den Ernst der Lage erkennen und für den Zusammenhalt Britanniens kämpfen.

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