Zappelphilipp Che Guevara?

Revolutionäre Erkenntnisse aus dem Bauer-Verlag

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
»Welt der Wunder«, das »Wissensmagazin« der Bauer-Gruppe mit anderthalb Millionen Lesern, fand Sensationelles heraus: Revolutionen entstehen, weil Revolutionäre unruhige Beine haben. Deswegen eilen sie von Revolutionsherd zu Revolutionsherd. Wo die nächste Revolution stattfinden wird, erfahren wir leider erst im nächsten Heft.
Das »Wissensmagazin« hat nach Verlagsangaben eine Auflage von Viertelmillionen Heften, erreicht anderthalb Millionen Leser und gilt damit als ein »Bestseller« der Bauer-Mediengruppe.
Das »Wissensmagazin« hat nach Verlagsangaben eine Auflage von Viertelmillionen Heften, erreicht anderthalb Millionen Leser und gilt damit als ein »Bestseller« der Bauer-Mediengruppe.

Gute Frage: »Kann Stress einen Mann zum Revolutionär machen?« Litt Ernesto »Che« Guevara – um den geht es hier! – an ADHS, weswegen es ihn a) nach draußen und b) zu immer neuen Revolutionen trieb? Und hat das Ganze nicht irgendwie auch mit dem populären und verkaufsträchtigen Modethema »Burnout« zu tun?

All das behauptet »Welt der Wunder«, das selbst ernannte »Wissensmagazin« der Bauer-Medien-Gruppe, in seiner aktuellen Ausgabe. Deren Titelgeschichte widmet sich nämlich jenen elf »geheimen Burnouts der Weltgeschichte«, »die« – drunter geht's nicht! – »das Schicksal der Welt veränderten«.

Und zu diesen elf »Burnouts« zählen auch Guevaras angebliches Zappelphilipp-Syndrom und deren geschichtsträchtige Folgen. »Er steht immer unter Hochspannung, kann nicht stillhalten«, ist in »wdw« über den argentinischen Revolutionär zu lesen. »Selbst im Sitzen wackelt er mit den Beinen und stampft mit den Füßen auf«.

Guevara verlässt das als zu stickig empfundene Zimmer, atmet die ihm fade schmeckende Luft des revolutionären Havannas. »Ihm wird klar: Er muss hier weg.« Doch statt nach Mallorca zu fliegen oder durch den Schwarzwald zu radeln, muss Che (typisch!) mal wieder Revolution machen: Er eilt gen Boliven, scheitert, wird gefangenen genommen und erschossen. 


Päpstliche »Forscher«: ADHS »trieb« Che Guevara zum Revoluzzen
»Warum nur begab Che sich auf eine Selbstmordmission nach Bolivien?«, fragt »wdw«. Ja, warum nur? »... Forscher von der Päpstlichen Katholischen Universität von Rio Grande do Sul in Brasilien erklären sich das so: Seit seiner Kindheit litt Che Guevara an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit). Das war ein Antrieb bei der Revolution auf Kuba.«

Doch könnten, so die päpstlichen »Forscher«, von denen wir nicht erfahren, ob sie eher Theologen oder eher Historiker oder Mediziner sind, ADHS-Betroffene »generell schnell einen Bunrout erleiden«: »Die Forscher vermuten, dass genau dies auf Kuba mit Che Guevara geschehen ist.« Will meinen: »Seine Krankheit trieb ihn nach Bolivien – und in den Tod. Denn ADHS«, so sei den letzten Zweiflern ins Stammbuch geschrieben, »kann auch zur Selbstüberschätzung führen«.

Führt Trunksucht zur Diktatur?
Endlich wissen wir Bescheid: Revolutionen entstehen, weil Revolutionäre unruhige Beine haben. Deswegen eilen sie von Revolutionsherd zu Revolutionsherd. Bis sie schließlich verglühen.

Aber das ist nur eine der laut »wdw« »11 Krankheiten, die das Schicksal der Menschheit veränderten« – manche Geschichtsgröße ist mit von der Partie: Neben Che Guevara auch Kaiser Wilhelm II. (»Verlor er den Weltkrieg wegen seiner Depression?«), Alexander der Große (»Diagnose: Kriegstrauma«), Boris Jelzin (»Kann Alkoholsucht zur Diktatur führen?«) und Barack Obama, dessen Krankheit (sic!) laut »wdw« die »Konfliktunfähigkeit« ist, die selbstverständlich auch unter das Label »Burnout« fällt. Jedenfalls im »Wissensmagazin« des Bauer-Imperiums.

Kein Thema: Hitlers halbvoller Hodensack
Nur einer fehlt in der illustren Burnout-Runde: Hitler. Ausgerechnet Hitler! Dabei ist der "Gröfaz" doch immer für eine ordentliche Titelstory gut – und eine steile These wäre schnellstens gefunden: Hitler hatte nur einen Hoden, wie allein schon das britische Spottlied »Hitler Has Only Got One Ball« belegt, das, wie Informanten berichten, auch schon mal in einer Päpstlichen Katholischen Universität gesungen wurde (na also!).

Nur ein Ei – in der Folge fühlte der Führer sich als halber Mann. Und musste daher die ganze Welt erobern. Gen »Lebensraum im Osten« drängte es ihn also schlicht aus Testikel-Mangel.

Und wie setzt man die Story um? Titelseite: Hitler, grimmig guckend. Schlagzeile: »Melancholie im Führerbunker: Führte Hodenneid zum Zweiten Weltkrieg?« Drinnen im Heft müsste dann der Gelehrtenstreit toben: War Hitlers Hodensack halb voll oder halb leer?

Doch in der nächsten Ausgabe der »Welt der Wunder« geht es um ganz andere Themen: Wie heißen die größten Choleriker im Tierreich? Wo findet die nächste Revolution statt – etwa in der 2b der Ringo-Starr-Grundschule Wölfingen? Und vor allem: Was passiert, wenn mein Gehirn K.O. geht?


Was trieb Che erst nach Kuba, dann fort von dort? »Welt der Wunder« kennt das Geheimnis!
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