Das harte Brot der sächsischen Bauern
Viel Bürokratie, wenig Gewinn - das echte Landleben ist nicht immer idyllisch
Sara Grohmann ist gewissermaßen eine Ausnahme: Sie hat den Hof ihres Vaters Karl Eisold in Meltewitz bei Wurzen übernommen. »Ich bin da so reingewachsen«, erzählt die junge Frau, die den Betrieb seit Juli 2010 gemeinsam mit ihrem Mann Philipp führt. Die beiden haben zwei kleine Kinder, zwei Jahre beziehungsweise zehn Monate alt. Eigentlich wollte die heute 29-Jährige Humangenetik studieren oder zumindest irgendwas mit Naturwissenschaften. Doch die beiden älteren Brüder übernahmen den väterlichen Betrieb nicht, so war für Sara Grohmann relativ früh klar, dass sie Agrarwissenschaften studiert, um später einmal den Hof zu führen, zumal sie sich selbst als sehr heimatverbunden bezeichnet.
Mais, Gerste, etwas Raps und Grünland
Sie bereut die Entscheidung für die Übernahme des Hofes nicht, das merkt man ihr auch an: »Auch wenn wir mit 135 Hektar Land und 70 Milchkühen mit Nachzucht ein sehr kleiner Betrieb sind, da ist es schwer, wirtschaftlich zu überleben.« Jährlich 560 000 Liter Milch produziert der Betrieb. Zweimal am Tag werden die Kühe gemolken, natürlich auch am Wochenende. Dazu kommt die Bewirtschaftung des Ackerlandes, auf 100 Hektar bauen die Grohmanns Mais, Weizen, Gerste und Raps an, der Rest ist Grünland. Wald gehört auch zum Familienbesitz, jetzt im Winter wird Holz gemacht.
Sara Grohmanns Vater Karl Eisold, ein Landwirtschaftsmeister, arbeitete früher bei der LPG, nach der Wende beantragte er die Rückübertragung der Flächen, die seiner Familie einmal gehört hatten und kaufte noch etwas Land dazu. 1991 startete er als Wiedereinrichter neu. Die Landwirtschaft ist sein Leben, genauso wie die Arbeit mit den Tieren. Eine Arbeit als angestellter Melker in einer der umliegenden Agrargenossenschaften kam für den heute 68-Jährigen nicht in Frage. Der Hof ist sein Ein und Alles. So war Karl Eisold froh, dass seine Tochter ihn übernahm. Einer der Brüder, ein gelernter Hufschmied, ist bei Sara Grohmann angestellt, genauso wie ein Melker. Die junge Frau kümmert sich gemeinsam mit ihrem Mann, der wie sie Agrarwissenschaften an der Hallenser Universität studiert hat, auch um das Wirtschaftliche, zum Beispiel die Buchführung. Beide beklagen die starke Bürokratisierung. Agraringenieur Philipp Grohmann: »Für jeden Handgriff, den wir draußen machen, müssen wir eine Planung schriftlich festlegen. Es gibt tausend Vorschriften.« Was wird wo angebaut, wann wurde mit dem Düngerstreuer über das Feld gefahren? All das.
Heute gibt es mit Grohmanns nur zwei selbstständige Bauern im 350 Einwohner-Dorf Meltewitz, rund eine Autostunde von Leipzig entfernt. Dazu einen Bauern im Nebenerwerb. Die meisten der umliegenden Felder werden von großen Agrargenossenschaften bewirtschaftet. Viele Dörfler haben wenig Bezug zur Landwirtschaft, arbeiten in der Stadt oder in den alten Bundesländern.
Einen Hof zu betreiben, lohnt sich heutzutage vor allem durch die Fördermittel. Die Grohmanns sind in der Erzeugergemeinschaft »Sächsische Qualitätsmilch«, wodurch sie bessere Preise für die Milch bekommen beziehungsweise eine Abnahmegarantie haben. Man lebt eigentlich von den Subventionsgeldern.
Nur knapp jeder Dritte hat einen Nachfolger
Diese Probleme sind es auch, die die Hofnachfolge manchmal schwierig gestalten. Das sächsische Statistische Landesamt mit Sitz in Kamenz hat dazu Daten erhoben. Mehr als 80 Prozent der 6300 Agrarbetriebe in Sachsen sind Einzelunternehmen. Gut zwei Drittel der Einzelunternehmen werden von Bauern bewirtschaftet, die 45 Jahre und älter sind. Nur 29 Prozent von ihnen haben laut Statistik schon einen Hofnachfolger. Bei 45 Prozent war die Nachfolge unsicher, ein Viertel gab an, noch gar keine Lösung zu haben. Knapp drei Viertel der künftigen Hofnachfolger arbeiten bereits ständig oder gelegentlich im Betrieb mit. Fast zwei Drittel haben eine landwirtschaftliche Ausbildung. Thorsten Krause vom Statistischen Landesamt: »Die Ergebnisse für Sachsen unterscheiden sich nicht sehr von denen Deutschlands insgesamt. Eine gesicherte Hofnachfolge gaben deutschlandweit 30,6 Prozent der Betriebsinhaber von Einzelunternehmen, die 45 Jahre oder älter sind, an.«
Frank Freiberg, Geschäftsführer des Regionalbauernverbandes Muldental, sieht die Situation optimistischer: »Bauern, die um die 50 sind, haben ja noch etliche Jahre Zeit, sich um einen Hofnachfolger zu kümmern.« Sein Regionalverband hat etwa 50 Mitgliedsbetriebe. Bei einigen Inhabern stand, wie bei Grohmanns, die Nachfolgeregelung jetzt an, weil auch sie sich nach der Wende mit etwa 40 Jahren selbstständig gemacht haben. »Aber soweit ich weiß, gibt es bis auf ganz wenige Ausnahmen keine Probleme, einen Nachfolger zu finden«, so Freiberg. Lediglich sehr kleine Betriebe seien in der Regel von solcher »Verwaisung« betroffen. Wenn sich der Hof finanziell nicht rechnet und der alte Besitzer geht in Rente, könnte der Hof dicht gemacht werden.
Ein Beispiel dafür kennt Frank Freiberg in seinem Bereich allerdings nicht.
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