Muss eine Höherstufung oder Ausgleichszahlung erfolgen?

Leserfrage zur ungerechten Bezahlung

  • Lesedauer: 3 Min.
Frau R. arbeitet seit 15 Jahren in einer Klinik für psychisch kranke Kinder und Jugendliche. Sie wurde ursprünglich als Sozialarbeiterin eingestellt und bezahlt. Schon nach kurzer Zeit übernahm sie an der Seite eines Therapeuten auch eigene psychotherapeutische Aufgaben, was sie veranlasste, eine privatfinanzierte verhaltenstherapeutische Ausbildung zu absolvieren. Allerdings wurde sie weiterhin als Sozialarbeiterin mit einem wesentlich niedrigeren Gehalt entlohnt (Verlust etwa 400 Euro monatlich). Seit Jahren erzielt ihr Arbeitgeber über Fallpauschalen bei der Krankenkasse Gewinne, die sich nicht in einem adäquaten Gehalt für Frau R. widerspiegeln. Frau R., die inzwischen ihre Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen und dafür 20 000 Euro investiert hat, bat ihren Arbeitgeber um eine Höherstufung oder Ausgleichszahlung - ohne Erfolg. Wie ist in diesem Fall die Arbeitsrechtslage?

Lohnstreitigkeiten zwischen Betrieb und Beschäftigten gehören zu den meisten Verfahren vor den Arbeitsgerichten, dazu gehören auch Streitigkeiten zur Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine bestimmte Lohn- und Gehaltsgruppe.

Für die Höhe des Arbeitsentgeltes eines Beschäftigten ist zunächst die im Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit und die zu ihrer Ausführung erforderliche Qualifikation maßgebend. Im Allgemeinen gruppieren die Betriebe ihre Mitarbeiter in die entsprechende Entgeltgruppe ein. Tarifgebundene Firmen ziehen hierzu die Entgelttarifverträge heran, die auch die einzelnen Eingruppierungsmerkmale enthalten. Nichttarifgebundene Betriebe stützen sich zumeist ebenfalls auf solche Unterlagen.

Die Leserin wurde vor 15 Jahren als Sozialarbeiterin eingestellt. Dafür erhielt sie offenbar die dafür vorgesehene Gehaltsgruppe. Wenn die Klinik der Mitarbeiterin im Laufe der Jahre zunehmend qualifiziertere Tätigkeiten übertragen hat, die für Sozialarbeitnehmer gewöhnlich nicht üblich sind, so hat sich in der Tat das Tätigkeitsprofil verändert. Dies geschah zwar ohne formelle Änderung des Arbeitsvertrages, aber die Klinik hat augenscheinlich und über längere Zeit solche qualifizierteren Tätigkeiten übertragen. Die Mitarbeiterin hat sich - nicht ohne Wissen der Firma - gewissermaßen von sich aus solche Tätigkeiten ausgesucht. Mehr noch: Der Klinik wird nicht entgangen sein, dass ihre Kollegin eine langfristige Ausbildung durchlaufen hat. Sie erwarb damit offenbar die für diese Tätigkeit erforderliche Qualifikation.

Rechtlich ist es nicht erheblich - jedenfalls nicht im streitigen Zusammenhang -, dass die Firma die Qualifizierung nicht angeordnet hat. Die Mitarbeiterin qualifizierte sich auf eigene Kosten und zudem auch noch über einen längeren Zeitraum.

Somit sind im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit der Zeit andere Bedingungen entstanden, als sie in der Gehaltsfrage ursprünglich vereinbart wurden. Die tatsächlich übertragene und ausgeführte Tätigkeit stimmte mit der vereinbarten Gehaltsgruppe nicht mehr überein. Hervorzuheben ist hier, und die Klinik wird sich vermutlich darauf berufen, dass sie die Qualifizierung ja nicht angeordnet hat.

Die erworbene Qualifikation allein ist in der Tat auch kein Argument, um den Betrieb zu einer höheren Eingruppierung zu veranlassen. Entscheidend ist auch hier die mit der Zeit real ausgeübte und vom Betrieb übertragene und höher zu bewertende Tätigkeit der Mitarbeiterin.

Die Personalabteilung beschied ihren entsprechenden Antrag abschlägig und tat dies vermutlich aus Stellenplan- und Haushaltsgründen. Das ist aber rechtlich in diesem Fall nicht erheblich, weil die Firma Frau R. die höher zu bewertende Arbeit übertragen hat und die Qualifizierungsaktivitäten kannte.

Hilfreich wäre für Frau R., wenn sie nachweisen könnte, dass andere Mitarbeiter mit vergleichbarer Tätigkeit ein höheres Arbeitsentgelt erhalten. Hinzu kommt noch, was gegebenenfalls im Rechtsstreit zu prüfen wäre, ob die Klinik nicht die Tätigkeit der Mitarbeiterin als höher bewertete Tätigkeit abrechnet, als die einer einfachen Sozialarbeiterin.

Über einige der hier vorgenommenen Bewertungen des Sachverhalts mag man streiten, aber eine Klage vor dem Arbeitsgericht würde sich allemal lohnen, um den gesamten Sachverhalt gerichtlich überprüfen zu lassen.

Auf anderem Wege würde Frau R. kaum eine Chance haben, eine eventuelle Höhergruppierung und unter Umständen eine Nachzahlung rechtswirksam zu erreichen.

Prof. Dr. JOACHIM MICHAS

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