Der übereifrige Herr Faber
Ingolstädter Justiz setzt nun doch Ex-SS-Angehörigem zu / Journalist erhebt neue Vorwürfe
Er war auf der Liste der zehn »meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher«, die das Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrum (SWZ) im letztjährigen Statusbericht seiner Jagd auf Nazi-Funktionäre veröffentlichte: Klaas Carl Faber, SS-Freiwilliger in den Niederlanden und an mehreren Erschießungen beteiligt. 1947 wurde er wegen Mordes an mindestens elf Menschen zum Tod verurteilt. Da die Strafe später in lebenslänglich umgewandelt wurde, konnte er dem SWZ zufolge 1952 aus dem Gefängnis ausbrechen und nach Deutschland fliehen. Hier profitierte er von Hitlers weiterhin gültiger Regelung, wonach ausländische Angehörige deutscher Verbände die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten konnten.
Seitdem konnte die niederländische Justiz deutsche Stellen nicht dazu bringen, die Strafe hier zu vollstrecken. Deshalb erregte letzte Woche die Meldung Aufsehen, dass die Staatsanwaltschaft Ingolstadt - wo Faber seit Jahrzehnten wohnt - den Fall nun doch ans örtliche Landgericht verwies, nachdem sie das 2004 noch unterlassen hatte, als sie sich schon einmal mit Faber zu beschäftigen hatte.
»Es handelt sich aber nicht um eine Anklage«, stellt Oberstaatsanwalt Günter Mayerhöfer klar. »Faber soll nicht neu verurteilt werden. Es geht um Vollstreckungshilfe. In den Niederlanden gibt es ein rechtskräftiges Urteil und die Frage ist nun, ob es hier vollstreckt werden kann.« Das habe so 2004 noch nicht zur Debatte gestanden, weil es da bestimmte Abkommen auf EU-Ebene noch nicht gegeben habe, die Verurteilungen grenzüberschreitend anerkennen. Auch die Strafen könnten nun übernommen werden, so Mayerhöfer, doch müssten zunächst gewisse Prüfungen stattfinden. Diese Aufgabe falle nun dem Landgericht zu. Das verhängte »Lebenslänglich« gebe es in Deutschland nur für Mord.
Der »Süddeutschen Zeitung« zufolge gab Faber seinerzeit nur zu, an Erschießungen im Konzentrationslager Westerbork beteiligt gewesen zu sein. Er könnte argumentieren, dort Befehle ausführen gemusst zu haben.
Efraim Zuroff würde ihm hingegen vorwerfen, mindestens 22 Menschen auf dem Gewissen zu haben - nicht nur die elf, die 1947 zu seiner Verurteilung führten. Die Antwort des SWZ-Büroleiters in Jerusalem auf die Frage, ob Fabers Taten als Morde zu werten seien, fällt sehr bestimmt, und sehr kurz aus: »Ganz sicher.« Seine energische Forderung: »Sie müssen ihn sofort ins Gefängnis stecken!« Die nun anstehende, mindestens mehrere Monate dauernde Prüfung seitens des Ingolstädter Gerichts erzürnt Zuroff: »Wir haben keine Zeit, darauf zu warten.« Faber wird bald 90 Jahre alt.
Keine schnellere Lösung, aber immerhin eine neue Hoffnung bringt Zuroff ein Fund von Arnold Karskens. Der Niederländer ist seit Jahrzehnten investigativer Journalist und Kriegskorrespondent - und erklärter Faber-Forscher. Im vergangenen Herbst fielen ihm Dokumente in die Hände, die unter anderem Fabers Mittäterschaft bei der Erschießung zweier Personen im September 1944 bei Groningen belegen sollen. »Faber hat immer gesagt, er sei bei dieser Erschießung nur Zeuge gewesen«, erklärt Karskens. »Doch der Autopsiebericht zeigt, dass zwei Kaliber verwendet wurden. Es kann also nicht nur sein Chef geschossen haben.« Diese Tat war nach Karskens' Beschreibung eindeutig Mord: »Die beiden Opfer wurden nachts erschossen, die Leichen ins Wasser geworfen. Es hatte keinen Prozess gegeben.« Die Dokumente lägen nun bei niederländischen Staatsanwälten, die sich auch bereits mit deutschen Kollegen in dieser Angelegenheit getroffen hätten.
Karskens hofft auf »neuen Wind« bei den Bemühungen deutscher Behörden bei der Strafverfolgung von Nazi-Funktionären. Weil diese kein gutes Bild abgebe, bekam Deutschland im Jahresbericht der SWZ nur die zweitbeste Note zugesprochen. »Wenn Faber zu Hause stirbt, bleibt ein dunkler Fleck auf Deutschland haften«, findet der engagierte Journalist, denn Faber habe nie Reue gezeigt. Karskens hat sich eine klare Meinung gebildet: »Faber war ein Menschenjäger, vom Anfang bis zum Ende. Er hat mehr getan, als er tun musste.«
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