Rückkehr in die Heimat
Die Familie Nguyen wird heute in Niedersachsen zurückerwartet / Langer Kampf gegen die Behörden geht zu Ende
Für die Familie Nguyen geht am heutigen Dienstag ein Albtraum zu Ende. Nach gut drei Monaten Aufenthalt in Vietnam landet die Familie voraussichtlich um 10.55 Uhr auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen. Anschließend kehrt das Ehepaar Nguyen samt seiner zwei Kinder Andre (6) und Esther (9) in sein Zuhause zurück. Zuhause, das ist nicht etwa das tropische Land in Südostasien, sondern Hoya, eine Kleinstadt mit etwas weniger als 4000 Einwohnern rund eine Dreiviertelstunde von Bremen entfernt. Vor 20 Jahren kam Vater Minh Tuong an die Weser. Er ließ sich dort nieder, zwei seiner Kinder sind in der Bundesrepublik geboren.
Doch der deutsche Staat hatte etwas dagegen, dass die Nguyens in Hoya heimisch wurden. Immer wieder waren sie von der Abschiebung bedroht. Der Grund: Minh Tuong hatte bei seiner Einreise falsche Angaben zu seiner Person gemacht. Für die Behörden ein unverzeihliches Vergehen. Am 8. November war es dann soweit: Im Morgengrauen stand die Polizei bei den Nguyens auf der Matte, um die »Rückführung«, wie es im Beamtendeutsch so schön heißt, zu vollstrecken. Die erwachsene Tochter Ngoc Lan beschreibt die Abschiebung im nd-Gespräch als einen »Absturz«, als einen »Tiefpunkt« für die ganze Familie. Ngoc Lan blieb zurück, sie hat ein Aufenthaltsrecht.
Der Fall schlug hohe Wellen: Tagelang berichteten die Zeitungen in Niedersachsen, das Regionalfernsehen schien sich in Hoya einquartiert zu haben. Eine ganze Region empörte sich über die Abschiebung der Nguyens, die als gut integriert gelten. Und selbst konservative Lokalpolitiker schüttelten mit dem Kopf.
Mit der Rückkehr der Vietnamesen in ihre niedersächsische Heimat geht ein langer Kampf gegen die Behörden zu Ende. An forderster Front stand dabei Andreas Ruh, Pastor der Martin-Luther-Gemeinde in Hoya und im Unterstützerkreis der Nguyens aktiv. Der Mann klingt von den vielen Presseanfragen erschöpft, sehnt die Rückkehr der Familie und ein Stück Normalität für sich förmlich herbei. Die vergangenen drei Monate waren wie eine »Achterbahnfahrt«, ein ständiges »Hoffen und Bangen«, meint er gegenüber »nd«. Jetzt aber habe die »existenzielle Unsicherheit« der Familie eine Ende. »Wir haben keine Angst mehr vor der Zukunft«, sagt Ngoc Lan selbstbewusst.
Den Nguyens wurde nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes ein gesicherter Aufenthaltstitel erteilt, gibt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat Auskunft. »Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden«, steht da geschrieben. Als »dringend humanitäre Gründe« wurden im Nguyen-Fall die fremde Umgebung und die ärmlichen Verhältnisse in Fernost ausgemacht, die besonders für die kleinen Kinder ein Schock waren.
Ruhs Gegenpart, wenn man so will, ist ein Mann, der sich in den vergangenen Jahren zweifelsohne einen Namen gemacht hat: Uwe Schünemann, Innenminister in Niedersachsen, ein Mann fürs Grobe, kompromisslos im Umgang mit Migranten. Ihm seien bei der Abschiebung die Hände gebunden, erklärte der CDU-Mann damals. Wenig später machte der Minister einen Rückzieher, setze sich für die Rückkehr der Vietnamesen ein. Urplötzlich wurde das Aufenthaltsrecht eingeräumt. Warum wurde gerade Schünemann ein Fürsprecher der Nguyens?
Für Weber war der Rückzieher kein freiwilliger Akt des Innenministers, so viel stehe fest. Für Pastor Ruh hat die Rückkehr zwei wesentliche Gründe: Zum einen war es der »Aufschrei der Öffentlichkeit«, zum anderen habe auch Kritik aus den eigenen Reihen den Politiker zum Handeln gezwungen. »Die Niederlage hat immer nur einen Schuldigen«, so der Pastor, »der Sieg dagegen immer viele Väter.«
Ausschlaggebend für das Umdenken im Ministerium kann eine Intervention von ungewöhnlicher Seite gewesen sein. So wird in Niedersachsen hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, die Frau des amtierenden CDU-Ministerpräsidenten David McAllister habe auf eine Rückkehr der Nguyens gedrängt.
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