Zu viele Köche im Wald
Kommissionen über Kommissionen und jetzt noch NSU-Untersuchungsausschüsse
Kommissionen, Kommissionen - und jetzt auch noch Ausschüsse. Wer kümmert sich wie um das Wüten des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU), dessen Zwickauer Terrorzelle zehn Morde, mehrere Bombenanschläge sowie mindestens 14 Banküberfälle zugeordnet werden?
Am Mittwoch berief Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eine vierköpfige Bund-Länder-Kommission. Die Aktenleser mit Juristenausbildung haben nur wenige Befugnisse. Bereits vor über zwei Monaten hatte Friedrich in seinem Hause eine Expertenkommission eingesetzt, die aus Hansgeorg Geiger (Ex-BND- und Verfassungsschutzchef), Ulrich Kersten (Ex-BKA-Chef) und dem CSU-Innenexperten Wolfgang Zeitlmann besteht. Was die drei Berufenen machen, ob sie überhaupt etwas machen, wissen offenbar nur Eingeweihte. Dazu gibt es im Bundestag wie in den Landesparlamenten reguläre Kon᠆trollgremien, die die Geheimdienste beaufsichtigen sollen. Was die wenigen, handverlesenen und zum Schweigen verpflichteten Abgeordneten da erfahren, ist ohnehin für die Wählerinnen und Wähler, ja sogar für die Abgeordnetenkollegen tabu. Und dann wollen noch diverse Innen- und Rechtsausschüsse zu ihren Recht kommen.
Gestern kündigte Friedrich zudem an, auf einer Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten am 22. März »einen Kriterienkatalog für eine neue Beweisführung mit dem Ziel eines NPD-Verbotsantrages beim Bundesverfassungsgericht« vorlegen zu wollen. Wer stellt den zusammen?
Viele Köche sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Damit nicht allzu viel durch- oder gar gegeneinander läuft, will der vom Bundestag eingesetzte Untersuchungsausschuss sich möglichst bald mit dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags und der Bund-Länder-Kommission treffen. Bei diesen Gesprächen wolle man eine »enge Verzahnung der Tätigkeit dieser Gremien erreichen, die sich nicht verzetteln dürfen«, sagte Sebastian Edathy (SPD), Chef der »Bundestagsdetektive«. Edathys Stellvertreter Stephan Stracke (CSU) ist »optimistisch, dass ein gutes Miteinander gelingt«.
Der Untersuchungsausschuss verabschiedete gestern 38 Beweisanträge »in großer Einmütigkeit«, so Stracke. Bei dem nichtöffentlichen Treffen planten die elf Mitglieder auch die Arbeit der nächsten Wochen. Bis April wird die Ausschussarbeit hauptsächlich aus Aktenstudium bestehen. »Wir können uns ja nicht nur auf Zeitungswissen stützen«, meinte Stracke. Doch sind Medien bislang die einzige sprudelnde Informationsquelle. Der Generalbundesanwalt dagegen, der die NSU-Ermittlungen an sich gezogen hat, kommt total trocken daher.
Und das wird sich - so vermuten Experten - auch nicht ändern, wenn der Ausschuss Fragen stellt. Mit dem Hinweis auf laufende Ermittlungen lassen sich Auskünfte trefflich zurückhalten und Aussagegenehmigungen perfekt verweigern. Abzuwarten bleibt ebenso, wie kooperationswillig sich die Länder geben, in welche Akten sie Einsicht gewähren, wen sie wozu wie intensiv vernehmen lassen. Gegenüber der Bund-Länder-Kommission sind sie jedenfalls zu nichts verpflichtet. Und der Untersuchungsausschuss muss vermutlich auch seine »Instrumente« - bis hin zum Verfassungsgericht - zeigen, um die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit klar zu machen.
Der Untersuchungsausschuss einigte sich darauf, an zwei Sitzungstagen jeweils drei Sachverständige anzuhören. Beide Sitzungen könnten Ende März stattfinden. Ein dabei zu erörterndes Thema wäre die »deutsche Sicherheitsarchitektur«, ein anderes wäre »Rechtsextremismus in Deutschland«. Die Sachverständigen wurden allerdings noch nicht benannt. Zeugen werden danach geladen.
Erstmals besteht die Möglichkeit, dass Ausschussberatungen im Fernsehen übertragen werden - so die beteiligten Personen dem zustimmen. Daran darf man schon jetzt Zweifel anmelden.
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