Stuttgart 21: Bäume für Behindertenwerkstätten
Polizeieinsatz für das Fällen von Bäumen steht unmittelbar bevor
Die Bahn muss sich sputen mit den Rodungsarbeiten im Schlossgarten. Denn die müssen vor Beginn der Vegetationsperiode am 1. März beendet sein. Um 108 Bäume zu fällen und 68 zu versetzen, braucht sie mehrere Tage. Bevor diese Arbeiten beginnen können, muss die Polizei den betroffenen Bereich des innerstädtischen Parks absperren und das dortige Zeltdorf von S21-Gegnern räumen.
Gestern erklärte Wolfgang Dietrich, Sprecher des Projektbüros Stuttgart 21, dass der Polizeieinsatz unmittelbar bevorstehe. Dietrich kritisierte in dem Zusammenhang Heiner Geißler. Der hatte in der Schlichtung bestimmt, dass die Bahn die gesunden Bäume im Schlossgarten umsetzen müsse. Nun griff er in einem Interview in der »Frankfurter Rundschau« die Bahn wegen der Baumfällungen an. »Die Bahn darf nur die Bäume fällen, die faktisch-technisch nicht verpflanzt werden können. Auch wenn es viel Geld kostet.« Das ärgert Bahn-Sprecher Dietrich. Schließlich habe man in Expertenkommissionen genau untersucht, welche Bäume verpflanzt werden können, und daran halte man sich nun. Sich »ein, zwei Tage vor dem Einsatz« derart zu melden, berge die Gefahr, »radikalere Gegner aufzustacheln«, so Dietrich. Er appellierte an alle Demonstranten, Eskalationen entgegenzuwirken.
Auch der Stuttgarter Polizeipräsident Thomas Züfle rechnet damit, dass es beim Polizeieinsatz härter zugehen könnte. In Internetforen sowie auf der Straße meint Züfle eine Abkehr von »rechtsstaatlich tolerablen Widerstandsformen« und Aufrufe zu mehr Härte zu erkennen. Bereits in diesen Wochen würden Polizisten zunehmend aggressiv von S21-Genern beschimpft, berichtete der Polizeipräsident. Diese Karte wird von den Gegnern zurückgespielt. Die Polizei würde sie arrogant behandeln, es gebe Übergriffe gegen Zeltdorfbewohner, heißt es von Seiten der Parkschützer. Offenbar wolle die Polizei mit ihren Eskalationsmutmaßungen im Vorfeld späteres hartes Durchgreifen rechtfertigen.
Im Internet mobilisieren die S21-Gegner derzeit für die kommende Nacht. Die gestrige Montagsdemo stand unter dem Motto »Bürgerbeteiligung leicht gemacht: am Tag X im Schlossgarten«. Erklärt wurde unter anderem, dass in einen Protestrucksack neben warmer Kleidung auch Taschenlampe und Trillerpfeife gehörten. Die S21-Gegner betonen, dass die Rodungsarbeiten zum jetzigen Zeitpunkt sinnlos seien. Es könne anschließend gar nicht weitergearbeitet werden, weil die Bahn noch nicht für alle Arbeiten Firmen gefunden hat. Das räumt Projektsprecher Dietrich ein. Doch er ist zuversichtlich, das Problem zu lösen. Ein anderes Problem habe man intern schon fast gelöst: Das Holz der gefällten Bäume werde auf jeden Fall »sinnvoll weiterverwendet«, so Dietrich. »Für Spielplätze, Kunstwerke oder Behindertenwerkstätten.« Es gebe viele Anfragen, über die demnächst entschieden werde.
Diese warmen Worte dürften den S21-Widerstand nicht beeindrucken. Wenn der »Tag X« kommt, werden potenzielle Demonstranten per SMS und E-Mails benachrichtigt.
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