Lautes Echo im Netz zum Wulff-Rücktritt:

  • Lesedauer: 3 Min.
(dpa) Als dann Christian Wulff vor den Kameras die entscheidenden Worte spricht, bricht eine gewaltige Flut öffentlicher Genugtuung los. Die ersten Reaktionen auf Twitter sind weit kürzer als die möglichen 140 Zeichen: «Plöpp», «das war's» oder «tschüss». Da war dann auch schon der Wikipedia-Artikel zu Wulff aktualisiert - nur 30 Sekunden nach dem Rücktritt. Und die Mitte Dezember 2011 gestartete Webseite «istchristianwulffnochimamt.de» antwortet nun: «Nein!» Die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg freut sich, «dass man schönstes Geburtstagsgeschenk direkt aus dem Bundespräsidialamt kommt».

Betroffener reagiert die gehörlose Bloggerin Julia Probst, die schon früher die Körpersprache Wulffs vor der Kamera analysiert hat: «Erschreckend, wie sehr Wulff gealtert ist! Und noch erschreckender die Kälte seiner Frau ihm gegenüber!» Auf Twitter fügt sie weiter hinzu: «In meinen Augen wurde beim Abgang der Wulffs eindeutig die mediale Chance verpasst zu zeigen: "Wir halten immer noch zusammen als Familie."»

Mitleid gibt es kaum für Wulff. Auf Facebook schreibt Melanie Schröer: «Schade eigentlich». Ansonsten aber werden vor allem die Büttenredner der Mainzer Fastnacht bedauert, die nun innerhalb von neun Stunden ihre Reden ändern müssen - und auch die Karnevalisten in Köln, die nun ihren fertigen Motivwagen nicht mehr auf die Straße schicken können.

So wie das Netz in seinen Reaktionen besonders scharfzüngig ist, so spitzt es auch das Meinungsbild der Öffentlichkeit zu. In einer nicht repräsentativen Umfrage der ARD-«Tagesschau» zur Frage «Sollte Wulff zurücktreten?» klickten bis kurz vor der Entscheidung 92,1 Prozent der knapp 40 000 Teilnehmer auf «Ja» und 6,4 Prozent auf «Nein». Nur 1,4 Prozent hatten keine Meinung. Während auf Twitter die Zahl der Beiträge mit dem Hashtag (Stichwort) Wulff am Freitagvormittag steil nach oben steigt, ist der Höhepunkt der Google-Suchanfragen bereits am 5. Januar erreicht - am Freitag sucht niemand mehr nach Wulff.

Eine Stunde nach dem Rücktritt ist das Thema fast schon abgehakt. Die Suche nach dem Nachfolger tritt in den Vordergrund. Der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel mahnt auf Twitter: «Jetzt sind alle gefordert, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Dies gilt fuer die Nachfolge wie für Transparenzregeln.» Die Namen, die in den Parteien gehandelt werden, sind allerdings nicht unbedingt die gleichen, die das Netz in die Diskussion bringt.

So hätten manche gern die Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, als Bundespräsidentin - dabei hat diese doch kürzlich auf eine weitere Kandidatur fürs Parteiamt verzichtet, um erstmal ihre Diplomarbeit zu schreiben. Wer im Netz gar nicht gut ankommt, wird auch schnell deutlich mit Kommentaren wie «bloß nicht Zensursula» - der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nimmt die Netzgemeinde immer noch übel, dass sie 2009 die Sperrung von Webseiten als Mittel im Kampf gegen Kinderpornografie vorgeschlagen hat.
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