Sagenhaftes Vlies
In Deutschland gibt es mehrere tausend Alpakas - seit 2004 werden die auch bei Zerbst gezüchtet
Isac ist wahrlich nicht von schlechten Eltern. Dreimal injiziert ihm der Tierarzt eine Betäubungsdosis, dreimal bleibt der junge Alpaka-Hengst standhaft. Schließlich gibt es der Veterinär auf. Die geplante Kastration muss er verschieben.
Warum aber will man solch einen Burschen überhaupt zum Wallach machen? Heidi Rühlich lacht: Ja, ein ungestümes Temperamentbündel sei Isac schon, nur passe er halt nicht in ihre Zuchtstrategie. Für Hengste gebe es da hohe Maßstäbe, versichert sie und weist an eine Wand ihrer Werkstatt: Hier hängt eine ganze Sammlung Urkunden und Diplome, mit denen ihre Tiere auf Alpakaschauen bereits bundesweit dekoriert wurden.
Als Züchter halten sich Rühlichs eben an die strengen Kriterien des Alpakazuchtverbandes Deutschland. Hierbei geht es etwa um die Gesundheit der Tiere, ihren Körperbau und die Qualität der Wolle. Und Isac habe zwar ein wunderbares Vlies, sagt Heidi Rühlich, jedoch einen kleinen Mangel in der Stellung der Gliedmaßen.
Seit 2004 widmen sich die Rühlichs auf ihrem aufwendig sanierten Vierseithof der Alpakazucht. Auf der Suche nach einer Nutzung für ihre Wiesen hinterm Hof stießen sie in Sachsen auf eine Alpakafarm. Sie informierten sich ausführlich über die südamerikanischen Vettern der Kamele, die vor 5000 Jahren aus Vikunjas domestiziert wurden. Und sie konsultierten weitere Züchter, absolvierten einen Sachkundelehrgang. Dann kauften sie in Baden-Württemberg die ersten fünf Tiere.
25 Tausendstel Millimeter
Mittlerweile halten Rühlichs 30 Alpakas. Und stärker als viele andere der gut 500 deutschen Alpakahalter, die rund 6500 DNA-registrierte Tiere betreuen, fokussieren sie ihre Arbeit auf die Zucht von Tieren mit korrektem Körperbau sowie besonders feinem Vlies. Immerhin zählt Alpakawolle zu den natürlichen Edelfasern wie Kaschmir und Seide. Der Schafwolle sei sie hinsichtlich Wärmehaltungsvermögens, Weichheit, Glanz und Farbvielheit weit überlegen, versichert Heidi Rühlich. Allerdings ließen sich pro Alpaka auch nur knapp vier Kilo Wolle im Jahr scheren.
Zwei Grundqualitäten unterscheiden Rühlichs beim Vlies: Wollpartien bis 25 Mikrometer Faserstärke, also 25 Tausendstel Millimeter, werden zu Garn versponnen. Was darüber liegt, dient als Füllmaterial für Steppbetten. Der mitteldeutsche Alpaka- und Lama-Zuchtverband, dem rund 75 Halter aus Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Brandenburg angehören, sammelt übrigens das Vlies aus der Zucht interessierter Mitglieder, um gleich größere Mengen zu Strickgarn verarbeiten lassen zu können. Dies habe auch einen Kostenaspekt, denn das maschinelle Verspinnen lohne sich erst ab einer Menge von etwa 100 Kilo sowie zehn Kilo pro Farbe, erläutert die gelernte Kauffrau.
Besonders ausgefallene Farbtöne, auf die Rühlichs ihre Alpakas züchten, verspinnt Heidi Rühlich überdies per Hand. Das Garn lasse sich danach vielseitig nutzen, erzählt sie: »Zum Stricken, Weben, ja selbst noch für feinste Tuche.« Mittlerweile arbeite man auch mit Strickdesignern zusammen. Vertrieben werde alles über den eigenen Hofladen oder bei Erntedankfesten, auf Verbrauchermessen oder Bauernmärkten.
Kein Spucken, kein Treten
Alpakas eignen sich auch hervorragend für die Landschaftspflege. »Denn sie selektieren die Pflanzen sehr genau«, erzählt Heinz Rühlich. »Zudem kneifen sie das Gras sauber ab, ziehen also nicht die Wurzeln mit heraus.« An der Nordsee betreibe man mit ihnen sogar Deichpflege. Denn da sie quasi auf Ballen laufen, verursachten sie anders als Schafe keine Trittschäden.
Rühlichs Herde dient überdies touristischen sowie therapeutischen Zwecken. So kommen nicht wenige Nutzer ihrer Ferienwohnung zuerst der Alpakas wegen auf den Zernitzer Hof. Und hier können sie dann problemlos mit den Tieren selbst größere Ausflüge unternehmen, ohne dass die Züchter dabei sein müssen: »Die Alpakas bringen sie dank ihres beeindruckenden Orientierungssinns garantiert wieder heil zurück«, sagt Rühlich. Und: Sie spucken, beißen oder treten auch nicht.
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