Speckgürtel-Dörfer müssen nicht zahlen
Verfassungsgericht kippt Regelung im Nordosten
Greifswald. Die bisher in Mecklenburg-Vorpommern erhobene Stadt-Umland-Umlage ist nicht mit der Landesverfassung vereinbar. Das entschied das Landesverfassungsgericht gestern in Greifswald. Die Umlage, die von den um größere Städte gelegenen Speckgürtel-Dörfern erhoben wird, verstoße in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung und erfülle nicht den Grundsatz der Systemgerechtigkeit und Gleichbehandlung, urteilten die Richter.
Sie machten deutlich, dass es bei der Erhebung immer einen Bezug zwischen der Ausgabe und der damit finanzierten Aufgabe, in diesem Falle die Unterstützung der Infrastruktur in den Kernstädten, geben müsse. Diesen Zusammenhang gebe es bei der Stadt-Umland-Umlage nicht, weil sie an der Steuerkraft der Gemeinden und deren Schlüsselzuweisungen bemessen werde. Dadurch sei die Abgabe in einigen Gemeinden viermal höher als in anderen betroffenen Gemeinden, obwohl für sie kein Mehr an Vorteilen erkennbar sei, sagte Gerichtspräsidentin Hannelore Kohl.
Acht Gemeinden um Wismar hatten gegen die seit 2010 geltende Regelung im Finanzausgleichsgesetz des Landes geklagt. Sie zahlten allein für 2010 rund 350 000 Euro an Wismar. Mit der Umlage sahen sie ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt und ihre finanzielle Mindestausstattung durch die Sonderabgabe beeinträchtigt. Im Jahr 2012 müssten landesweit 81 Dörfer rund um die Städte Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Wismar, Stralsund und Greifswald die Abgabe entrichten. Das Innenministerium hatte Einnahmen von 4,4 Millionen Euro erwartet.
Die klagenden Gemeinden gehen davon aus, dass sie nun ihre Zahlungen zurückerhalten. Der Bürgermeister von Gägelow, Uwe Wandel, freute sich über das Urteil und rechnet mit einer Rückzahlung von 97 000 Euro allein für 2011. Das Urteil sei aber »nur ein Zwischenhoch«, befürchtet Wandel. Das Land werde vermutlich eine Alternative schaffen.
Denn die Richter führten in der Begründung auch aus, dass grundsätzlich das Instrument der Stadt-Umland-Umlage in Einklang mit der Verfassung steht. Allerdings habe der Gesetzgeber im konkreten Fall nicht deutlich machen können, warum die Umlage gerade in der verfügten Höhe erhoben wird.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.