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Ein Versuch der Versöhnung

Beate Klarsfeld ist Kandidatin der LINKEN, mit ihrer Hilfe will sie auch CDU und FDP ein Angebot machen

  • Lesedauer: 6 Min.
Drei Zielen folgte Beate Klarsfeld in ihrem politischen Kampf: 1. verhindern, dass Nazis auf einflussreichen Posten sitzen, 2. Nazi-Verbrecher in Deutschland und im Ausland aufspüren und bestrafen, 3. Solidarität mit Israel. Im »nd«-Interview sprach Uwe Kalbe mit ihr über Zeiten in der DDR und das Verhältnis zur Linkspartei.

nd: In einem Interview mit dem »neuen deutschland« haben Sie 2009 gesagt, es sei Ihnen wichtig, dass Deutschland Sie nicht vergisst. Das dürfte Ihre Kandidatur zumindest bewirken.
Klarsfeld: Mir ging es ja immer um Deutschland, auch mit meiner politischen Arbeit habe ich versucht, das Image von Deutschland im Ausland zu verbessern. Und natürlich ist die Kandidatur jetzt für mich eine große Ehre. Es ist auch gut, dass ich ab jetzt nicht mehr allein mit der Ohrfeige für Kiesinger in Verbindung gebracht werde.

Fühlen Sie sich auf diese Backpfeife reduziert, die Sie dem damaligen Bundeskanzler und ehemaligen Nazifunktionär gegeben haben?
Manchmal schon. Zwar war das für mich ein positives Ereignis, aber die Berichte darüber waren ja nicht immer positiv, und auch in den politischen Parteien scheint das bis heute nicht nur gute Erinnerungen wachzurufen.

Woran erkennen Sie das?
Zum Beispiel daran, dass der Vorschlag abgelehnt worden ist, mir das Bundesverdienstkreuz zu verleihen.

Ein Vorschlag, den auch die LINKE gemacht hat. Zweimal schon.
Und er wurde jedes Mal abgelehnt. Aber die LINKE war eben auch die Partei, die mich gefragt hat, ob ich als Bundespräsidentin kandidiere.

Sie wollen aber nicht, dass Ihre Kandidatur mit einer Unterstützung der Politik der Linkspartei verwechselt wird, wie Sie gesagt haben.
Wir sind nicht in allen Punkten konform, das stimmt. Aber die LINKE kennt meinen Lebensweg und hat sich trotzdem für mich entschieden.

Und Sie kennen die LINKE?
Ich kenne die LINKE, sie hat mich zum Beispiel 2006 unterstützt, als die Deutsche Bahn unsere Fotoausstellung »Sonderzüge in den Tod« verhindern wollte, die die Deportationen von 11.000 jüdischen Kindern thematisierte.

In der antifaschistischen Grundhaltung der Partei werden Sie sicher viel Übereinstimmung finden. Ist aber das soziale Engagement der Partei nicht etwas, das eher abseits Ihrer politischen Mission liegt?
Soziale Gerechtigkeit ist für mich ein sehr wichtiges Motiv, weil Verwerfungen immer wieder der Nährboden sind für antidemokratische Entwicklungen. So halte ich die Entwicklungen in Griechenland wie die LINKE für sehr gefährlich.

Die LINKE stellt Sie als Gegenkandidatin, als Alternative zu Joachim Gauck auf. Sehen Sie selbst sich als Anti-Gauck-Kandidatin?
Nein, aber wenn mich einige aus den anderen Fraktionen wählen, die ihn aufgestellt haben, würde mich das natürlich freuen.

Wäre es wichtig für Sie, dass jemand aus den Reihen der CDU für Sie stimmt?
Selbstverständlich, ich habe schließlich einen CDU-Kanzler geohrfeigt.

Das wäre so eine Art Versöhnung für Sie?
Auch wenn Liberale für mich stimmen würden. Denn ich habe seinerzeit die Karriere des FDP-Politikers Ernst Achenbach zu beenden geholfen, der für die Verschleppung von Juden aus Frankreich mitverantwortlich war.

Beide, Gauck und Sie, werden jetzt überall als Geschichtsaufklärer dargestellt, sehen auch Sie hier eine Übereinstimmung?
Ja, durchaus. Sein Engagement gilt der Aufklärung der DDR-Vergangenheit über die Stasi-Akten, meine galt immer der Entlarvung der Naziverbrecher in der BRD. Aber ich habe, anders als Herr Gauck, mein Leben riskiert. Gauck gilt als Mann des Wortes, ich bin eine Frau der Tat. Ich wurde bedroht, unser Auto wurde in die Luft gesprengt, ich war in Ländern wie Bolivien und Uruguay oder auch auf Demonstrationen in Syrien, um dort auf die Auslieferung von Alois Brunner, der rechten Hand von Adolf Eichmann, zu drängen. Das war gefährlich, lebensgefährlich. Aber um nach verschwundenen Menschen in Argentinien zu suchen, reicht es nicht, vor der argentinischen Botschaft in Paris zu demonstrieren. Dazu musste ich nach Argentinien.

Sie haben in der DDR Unterstützung bei Ihrer Suche nach Beweisen gegen Kiesinger oder auch Alois Brunner gesucht und auch gefunden. Jetzt wird Ihnen vorgehalten, dass Sie dabei mit der Stasi zusammengearbeitet hätten.
Ich habe meine Stasiakte extra mitgebracht. Daraus geht hervor, dass unsere Zusammenarbeit mit der DDR allein auf die Recherchen zu Kiesinger und Alois Brunner gerichtet war. Mein Mann Serge und ich haben damals ganz offiziell um Unterstützung gebeten und wegen unserer Reise in die DDR extra im Elysee-Palast vorgesprochen. Die DDR hat uns die NS-Archive, die in Potsdam gelagert waren, geöffnet. Wir haben nie einer Partei angehört, wir waren immer unabhängig. Unsere Arbeit war uns sehr wichtig, und Hilfe erhielten wir dabei von der DDR, nicht von der Bundesrepublik.

Ein rein sachliches Verhältnis?
Es gab ein freundschaftliches Verhältnis, ich war zum Beispiel Ehrengast zum 20. Jahrestag de DDR. Die DDR half Serge und mir auch finanziell. Und es wurde eine Broschüre mit unseren Erkenntnissen über Kiesinger herausgegeben. Als ich 1974 in Köln vor Gericht gestellt wurde, wurde ich von DDR-Rechtsanwalt Karl Kaul verteidigt.

Aber dann sind die Beziehungen abgekühlt.
Als ich mich in Warschau und Prag ankettete, um gegen Antisemitismus und gegen Restalinisierung zu protestieren, blieben die Grenzen eine Zeitlang geschlossen.

Alois Brunner wollten Sie aus Syrien entführen?
Die Gespräche haben dann aber dazu geführt, dass die DDR einen offiziellen Auslieferungsantrag gestellt hat. Brunner war einer der Schlimmsten gewesen. Er war es auch, der meinen Schwiegervater in Nizza verhaften und deportieren ließ.

In der Linkspartei gibt es eine Diskussion über Ihr Engagement für die Initiative »Stop the Bomb«. Diese unterstützt Israels harten Kurs gegen Iran, einschließlich der militärischen Drohungen.
Wir haben in Frankreich Prozesse gegen Le Pen und andere wegen der Leugnung des Holocaust geführt. Wenn jemand wie der iranische Präsident den Holocaust leugnet und Israel ausradieren will, dann kann man das nicht akzeptieren, ganz klar.

Halten Sie, die Kandidatin der LINKEN für das Präsidentenamt, einen Angriffskrieg für ein geeignetes Mittel, um Diktaturen zu beseitigen?
Im Allgemeinen ist Krieg das falsche Mittel. Dass jeder Kriegseinsatz von vornherein auszuschließen ist, diese Frage müsste man im Einzelfall diskutieren. In jedem Fall wäre zu wünschen, dass Europas Rolle größer würde, um Konflikte im Ansatz zu bekämpfen.

Sie leben seit Jahrzehnten in Paris, das schafft eine besondere Sicht auf Deutschland und womöglich auf Europa.
Ich habe meine Arbeit immer als moralische Arbeit für Deutschland betrachtet. Aber ich bin Europäerin, mein Mann ist Franzose, meine Tochter ist mit einem Italiener verheiratet. Es wäre doch wunderbar, wenn wir neben dem wirtschaftlichen Europa ein moralisches Europa schaffen könnten, ein friedliches, vereintes soziales Europa.

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