»Der Druck der Straße lässt Banken einlenken«
Spanische Hypothekenschuldner dürfen wieder auf eine Entschuldung hoffen
Tatyana Roeva und Anuar Jalil können aufatmen: Sie haben zwar am Mittwoch ihre Wohnung in Madrid verlassen, doch bekommen sie die Chance auf einen Neustart, weil sie nicht auf einem Schuldenberg sitzen. Die spanische Großbank BBVA gab am Dienstag nach. Die Zwangsräumung wurde abgesagt. Zuvor hatten die Indignados (»Empörte«) und die »Plattform der Hypothekenbetroffenen« (PAH) angekündigt, diese verhindern zu wollen.
Bereits im Juni 2011 hatten in der Naranjo-Straße über 500 Menschen verhindert, dass der Libanese und die Bulgarin auf die Straße gesetzt wurden, weil die Arbeitslosen ihre Hypothek nicht mehr bedienen konnten. Erstmals verhinderten so die »Empörten« eine Räumung in Madrid. Ihre Platzbesetzungen im ganzen Land führten dazu, dass sich nun überall Betroffene gemeinsam wehren.
»Der enorme gesellschaftliche Druck der Straße lässt die Banken einlenken«, erklärte Oscar Chavez dem »nd«. Für den PAH-Sprecher handelt es sich um einen exem-plarischen Sieg. Die Bank habe die Forderung der Vereinigung, die Hypothekenschuld durch die Übergabe der Wohnung zu begleichen, noch übertroffen. Nun wurde sogar ein Schuldenerlass erreicht. Dazu bezahlt die Bank dem Paar zwei Monatsmieten in einer vergleichbaren Wohnung, damit es die 50 Quadratmeter freiwillig räumt. Nur auf die Forderung, sie mit einer »Sozialmiete« in ihrer Wohnung zu lassen, ging die BBVA nicht ein.
Roevas und Jalils Schulden waren mit Zinsen auf fast 270 000 Euro gewachsen. 250 000 Euro Kredit waren 2006 gewährt worden, der auch jahrelang abgezahlt wurde. Wenn sich die Bank nicht auf den Schuldenerlass eingelassen hätte, hätte sie die Wohnung nach der Zwangsräumung zur Hälfte des 2006 taxierten Werts, also 125 000 Euro übernehmen können. Das Paar wäre dann nicht nur obdachlos gewesen, sondern säße zudem auf dem Restschuldenberg von 144 000 Euro und stünde in Schuldnerlisten, womit die Anmietung einer Wohnung fast unmöglich ist. Die Banken sähen aber ein, dass sie diese Restschuld von vielen der 400 000 Familien, die seit Krisenbeginn schätzungsweise geräumt wurden, ohnehin nicht mehr erhielten, so Chavez.
Wie sollten Arbeitslose auch Miete und Schulden bezahlen, wenn sie nicht einmal die Hypothek stemmen könnten? Chavez geht deshalb von einer Bilanzbereinigung aus: »Immer stärker geben Banken nach und akzeptieren auch Sozialmieten.« Sie wollten guten Willen zeigen, denn die Regierung will sie zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung bringen. In Härtefällen, in denen alle Familienmitglieder arbeitslos sind, sollen sie auf die Restschulden bei Wohnungsübergabe verzichten. Als Anreiz dafür sollen die Banken Steuererleichterungen bekommen.
Per Volksinitiative wurde ein Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, so Chavez. Dennoch würden nicht alle Banken nachsichtiger: Vor allem die Deutsche Bank und das Sparkassenkonglomerat Bankia weigerten sich weiter meist, über einen Zahlungsaufschub, die Verschiebung von Räumungen oder die Restschuldbegleichung zu verhandeln. Bankia empört die PAH besonders, denn die sieben spanischen Sparkassen, die über die Immobilienblase stolperten, hatten für ihre Fusion Steuermilliarden erhalten. Bankia stehe zudem hinter den meisten Hypotheken in Madrid und damit hinter der Mehrzahl der Räumungen.
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