»Wir sind noch nicht durch«

Kein Jubel nach gescheitertem Naziaufmarsch in Dresden

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Nazis sind mit ihrem Februar-Aufmarsch in Dresden 2012 an starkem Widerstand gescheitert. Dass Blockaden auch 2013 Erfolg haben werden, ist aber keinesfalls gewiss.

Das Zeugnis könnte besser nicht ausfallen: Bei den Protesten gegen den Naziaufmarsch am 13. Februar in Dresden hat die Polizei »angemessen, vernünftig und mit Augenmaß« agiert. Das sagt nicht Sachsens Innenminister, sondern Rico Gebhardt, innenpolitischer Sprecher der LINKEN. Ein Jahr zuvor verfolgten die Sicherheitsbehörden in der Stadt ein Einsatzkonzept, das er »katastrophal« nennt: Nazis und Gegendemonstranten sollten strikt getrennt werden, was scheiterte - und zu Chaos führte. In diesem Jahr wurde Protest in Sichtweite erlaubt und bei Blockaden nicht eskaliert. Folge: Die Nazis konnten nur einmal um den Block laufen. Nicht nur beim Blockadebündnis »Dresden nazifrei« sorgte das für Euphorie: Man habe den einst größten Naziaufmarsch in Europa »geknackt«, hieß es. Auch in der Landespolitik gab es Genugtuung: Friedliche Proteste seien möglich, hieß es allenthalben - mit unterschiedlichem Akzent. Die einen betonten, es habe, anders als 2011, keine Randale gegeben, andere stellten heraus, dass diesmal ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit nicht beschnitten wurde.

Nach dem Erfolg stellt sich freilich nun die Frage, welche Faktoren ihn ermöglichten und ob er 2013 zu wiederholen ist. Dabei wird vor verfrühtem Jubel gewarnt. Das neue Polizeikonzept, sagte Fritz Burschel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung bei einer Anhörung der Linksfraktion, habe seine Gründe nicht in neuer »Vernunft im Polizeiapparat«, sondern in »Image-Erwägungen«. Sachsen habe 2011 viel Prügel für die Funkzellenabfrage einstecken müssen, zudem operierte die rechte Terrorzelle NSU jahrelang unentdeckt von hier. Deshalb, glaubt Burschel, »haben sie uns diesmal durchmarschieren lassen«.

Für Rico Gebhardt steht aber fest: »Wir sind noch nicht durch.« Der Protest ruht weiterhin maßgeblich auf Unterstützung von außen. Ein Beleg ist die geringe Teilnahme an einer Kundgebung der »AG 13. Februar«, mit der eigentlich dem bürgerlichen Dresden die Gelegenheit zu Protest in Sicht- und Hörweite sowie einem Zeichen gegen Nazis gegeben werden sollte. Es kamen 2500 Menschen - in einer Stadt, die eine halbe Million Einwohner hat. »Einen wirklichen Erfolg«, sagte Gebhardt, »haben wir erst, wenn mehr Dresdner merken, dass sie den Protest selbst in die Hand nehmen müssen.« Von dem Punkt, sagen Beobachter, sei man weit entfernt. Zuversichtlich stimmen für 2013 immerhin die Effekte, die der Erfolg 2012 auf die Naziszene hatte. Dort gab es großen Frust. Viele kündigten an, Dresden künftig fernzubleiben. Dort, sagt der Rechtsextremismus-Experte Volkmar Wölk, »scheinen wir tatsächlich etwas geknackt zu haben.« Allerdings hat das Folgen: Der Naziaufmarsch in Magdeburg erfuhr stark wachsenden Zuspruch. Wenn es in Dresden einen Aufmarsch mit 10 000 Nazis weniger gebe und dafür in zehn Städten je einen mit 1000 Teilnehmern mehr - was, gibt Wölk zu bedenken, »haben wir dann als Antifaschisten gewonnen?!«

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