Späte Erinnerung
Es dauerte 65 Jahre, bis in München endlich der Grundstein für ein NS-Dokuzentrum gelegt wird
Mit einem Festakt wird heute in München die Grundsteinlegung für ein NS-Dokumentationszentrum begangen. Damit bekommt 65 Jahre nach Ende des »Dritten Reiches« die ehemalige »Hauptstadt der Bewegung« eine zentrale Gedenk- und Erinnerungsstätte zum Thema Nationalsozialismus. Unter den geladenen Gästen ist auch der Auschwitz-Überlebende und Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau, Max Mannheimer (92). Das Dokumentationszentrum soll bis 2014 fertiggestellt sein.
Unter Anwesenheit der Wappenfigur des »Münchner Kindls« wird der Grundstein auf dem Gelände an der Briennerstraße im Boden versenkt. Noch bis 2006 wären hier die Kellerfundamente des »Braunen Hauses«, der Parteizentrale der NSDAP, zu finden gewesen. Denn das neue Dokumentationszentrum wird an exponierter Stelle entstehen, nämlich im Mittelpunkt des ehemaligen Partei-Viertels des nationalsozialistischen München.
Aufmarschplatz der Nazis
Hier ließ Hitler in den 1930er Jahren diverse Bauten am Königplatz errichten, der selbst mit Steinplatten bepflastert wurde und dann als Aufmarschgelände diente. An seiner Ostseite wurden nach den Plänen des Architekten Paul Ludwig Troost bis 1936 zwei äußerlich identische Gebäude errichtet. Der nördliche Bau diente als »Führerbau« Repräsentationszwecken, hier wurde auch das »Münchner Abkommen« unterzeichnet.
Das südlich liegende Gebäude diente als Verwaltung für die NSDAP, hier wurden die Karteikarten der Millionen Parteimitglieder verwaltet. Am Rande des Königplatzes standen zwei »Ehrentempel«, in denen die sterblichen Überreste der beim Hitlerputsch Getöteten bestattet waren. Heute sind von diesen nach dem Kriege gesprengten »Tempeln« nur noch die Fundamente zu sehen.
Im ehemaligen »Führerbau« ist die Musikhochschule untergebracht, in dem Gebäude der ehemaligen Parteizentrale verschiedene Kulturinstitutionen wie die Staatliche Graphische Sammlung. Lediglich eine kleine Metalltafel neben dem nördlichen Ehrentempel informierte bisher über die Geschichte des Areals.
Die Verdrängung des nationalsozialistischen Erbes aus dem Bild der bayerischen Landeshauptstadt und damit einhergehend eine fehlende Auseinandersetzung über Jahrzehnte hinweg könnte selbst ein Thema für das neue Dokumentationszentrum sein. Dessen Motto lautet »Erkennen, Lernen und Verstehen am authentischen Ort«. Eine Arbeitsgruppe von vier Professoren hat das Konzept erarbeitet, eine Dauerausstellung auf dreieinhalb Stockwerken soll den Besucher durch die Geschichte von der Zeit der Räterepublik und der Weimarer Zeit bis heute führen.
Ein weißer Kubus
Sie beginnt im 4. Stock mit einem Ausblick auf die Umgebung und führt an 30 Themenschwerpunkten entlang bis in das erste Obergeschoss. Dort werden auch Wechselausstellungen zu sehen sein. »Warum München?«, »Warum eine Beschäftigung mit der NS-Zeit heute?«, sind zentrale konzeptionelle Fragen der Ausstellung. Insgesamt stehen rund 1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung.
Entworfen hat den Neubau des NS-Dokumentationszentrums ein Berliner Architektenbüro. Der Entwurf sieht einen klaren Kubus aus weißem Sichtbeton mit Kantenlängen von 22,5 Metern vor. »Selbstbewusst wird der Würfel mit ausgeprägter Höhenentwicklung in den städtebaulichen Raum situiert und schafft eine eigene, unverwechselbare Identität. Er steht in starkem Kontrast zur Umgebung«, so ein offizieller Text zum geplanten Neubau. Der Würfel markiere den Ort der Täter, ohne auf das »Braune Haus« Bezug zu nehmen: »Er stellt sich nicht in die Reihe der ›Führerbauten‹, überragt sie aber.«
Die Summe für den Neubau und die Ersteinrichtung in Höhe von 28,2 Millionen Euro wird zu je einem Drittel von Stadt, Land und Bund getragen. Das 1450 Quadratmeter große Grundstück wurde vom Freistaat Bayern bereitgestellt. Die Stadt München übernimmt den Betrieb des Hauses und die laufenden Kosten.
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