Alles aus Zucker
Drei Viertel aller Kinderlebensmittel sind ungesunde Kalorienbomben
»Wir sind ein Unternehmen, das Qualitätsprodukte für eine gesündere Welt herstellt.«, so präsentiert sich Frühstücksflockenhersteller Kellog's auf seiner Homepage. Die quietschbunten »Honey Bsss« mit süßer Biene auf der Packung und dem Hinweis auf den »Bienentanzkurs« im Internet enthalten demnach »viele wichtige Vitamine, Calcium und Eisen« - und 34 Prozent Zucker.
Insgesamt 1514 Kinderlebensmittel hat die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch für ihre gestern veröffentlichte Studie »Kinder Kaufen« im letzten Jahr untersucht. Dazu zählten Produkte, die sich durch ihre Aufmachung explizit an Kinder richten, entweder mit Comicfiguren auf der Packung oder durch Spielzeug und Gewinnspiele.
Das Fazit ist wenig überraschend: 73,3 Prozent aller getesteten Produkte fallen unter die Kategorie »süße und fettige Snacks«, von denen Kinder laut Ernährungspyramide des Verbraucherministeriums nicht mehr als eine Handvoll am Tag essen sollten. Nur zwölf Prozent der Produkte gelten als unbedenklich. Dazu zählen vor allem Obst- und Gemüsesäfte. Die Lebensmittelindustrie stellt die Ernährungspyramide also quasi auf den Kopf. Überraschend ist, dass auch die Bioprodukte nicht viel besser abschneiden: Knapp 58 Prozent der getesteten Ökolebensmittel landen in der »roten« Kategorie.
Für die Verbraucherschützer ist klar: Es ist praktisch unmöglich aus den angebotenen Lebensmitteln für Kinder eine ausgewogenen Ernährung zusammenzustellen. Warum auch? Laut einer Studie der US Großbank JPMorgan liegen die Umsatzrenditen der Lebensmittelhersteller bei Obst und Gemüse bei nur vier Prozent, die von Frühstücksflocken und Snacks sind hingegen fast fünf mal so hoch. »Die Konzerne haben großes Interesse daran Kinder so früh wie möglich zu Fastfoodjunkies zu machen«, erklärt Foodwatch-Mitarbeiterin Anne Markwardt. Lebenslange Konsumentenbindung nennt sich das. Die Industrie steckt dafür Unsummen in Werbekampagnen. Allein im letzten Jahr rund 696 Millionen Euro und das nur für Süßwaren. Und Eltern sind schnell von den Kinderprodukten überzeugt, wenn noch mit zusätzlichen Vitaminen und Mineralstoffen geworben wird. Ein Drittel glaubt, dass die explizit als Kinderprodukte ausgewiesenen Lebensmittel besonders gut für die Kleinen geeignet sind, zusätzlich werden sie geschickt in der so genannten »Quengelzone« neben der Kasse platziert. Dabei sind die Produkte teurer, minderwertiger und aus ernährungsphysiologischer Sicht sogar schlechter als Erwachsenenkost. Ein Joghurt für Erwachsene hat normalerweise 3,5 Prozent Fett. Kinderjoghurts werden für den cremigen Geschmack oft mit Frischkäse aufgepeppt und kommen so auf einen Fettanteil von sechs bis neun Prozent.
Am schärfsten kritisierte Foodwatch neben der bewussten Verbrauchertäuschung aber die perfiden Lobbystrategien der Unternehmen. Während Nestlé und Co. versuchen, mit Gesundheitskampagnen ihr Image aufzubessern, wälzen sie die Verantwortung für die Folgen von schlechter Ernährung wie Übergewicht auf Eltern und Politik ab, so ein Fazit der Studie. Nicht die viel zu zuckerhaltigen Müsliriegel und Softdrinks sind laut Industrie Schuld daran, dass mittlerweile 15 Prozent der Drei bis Siebzehnjährigen übergewichtig sind, sondern stundenlanges Fernsehen und Bewegungsmangel. »Es kann nicht sein, dass sich die Lebensmittelindustrie hier klammheimlich aus der Verantwortung stiehlt«, kritisiert Markwardt. Foodwatch fordert deshalb von der Politik, den Wettbewerb anders zu organisieren. Unternehmen dürften beispielsweise nicht mehr als Partner von öffentlich geförderte Bewegungskampagnen zugelassen werden.
Die Foodwatch-Studie im Internet unter: www.foodwatch.de/kinderreport
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