Ist Erziehung Manipulation?

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Für den dänischen Familientherapeuten Jesper Juul ist das Kind ein prinzipiell soziales Wesen, das im Kontakt durch Nachahmung lernt. Und so beantwortet er die ewige Frage, was gute Erziehung sei und wie diese gelinge, auf www.freitag.de (bit.ly/GXRsmb) so: »Man kann keinen Kinderführerschein machen sondern es nur gemeinsam mit seinem Kind lernen (…) Erziehung ist Manipulation, bewusst oder unbewusst. Ich interessiere mich, wie sich die Lebensqualität der Kinder durch das ändert, was wir als Eltern mit ihnen machen - nicht so sehr dafür, ob sie sich die Zähne putzen (…) Wenn ich von Erziehung spreche, meine ich Familie. Und das bedeutet den Willen zur persönlichen Entwicklung. Zu viele haben vom Elternsein romantische Vorstellungen. Wir tun, was wir können, damit es unseren Kindern gut geht und dennoch haben sie Albträume.« Doch nicht alle folgen dieser Argumentation.

rago42 »fehlt der Praxisbezug. Als Vater zweier Fünfjähriger muss ich mich für das Zähneputzen interessieren, wenn sie sich partout weigern.« ismene meint: »Für solche Situationen kann es auch keine konkreten praktischen Tipps geben, weil eben jedes Kind anders ist. Da hilft vielleicht eher der Austausch.« Gebe bezeichnet Jaspers Vorstellungen von Erziehung als »Stuss! Solange er Erziehung als Manipulation ansieht, wäre es besser, er würde den Mund dazu halten. Oder sollte man etwa Kindern z.B. Sprache vorenthalten, weil man sie schon damit in Bezug auf Begriffe und den dazu gehörigen Erlebnissen und Eindrücken manipuliert?«

Nashira fragt: »Was ist mit Kindern, die trotz schlechter Eltern/Erzieher zum Vorbild für die gesamte Umgebung werden? Was ist mit denen, die aus prima Elternhäuser stammen, deren Geschwister tolle Persönlichkeiten geworden sind, sie aber ›ausscherten‹? Was ist mit Kindern, wo gute/schlechte Erziehung/Erzieher machen können, was sie wollen: Das Kind gerät ›gegenteilig‹ zum Dauereinfluss? Bilden wir uns am Ende mit/auf unserem Einfluss auf unsere Kinder zu viel ein? Und haben es häufig Kinder, die ›nebenher‹ groß werden, nicht doch viel besser, als die, die nach den klügsten, humansten und liebevollsten Methoden erzogen werden?«

Nach Ismene »überschätzen wir häufig die unterschiedlichsten Einflüsse auf unsere Kinder. (...) Prägend ist vor allem der ›Grundton‹ der Familie. Kinder lernen von Vorbildern nicht durch das ewige Wiederholen von Ge- oder Verboten. Und sie orientieren sich recht bald nicht mehr allein an den Eltern sondern am liebsten an älteren Kindern. Deshalb mache ich mir nicht mehr solche Gedanken über die Erziehung, sondern schaue darauf, was ich selbst tue. Da höre ich mich doch ziemlich oft, wenn meine Kinder reden. Wie Kinder geraten sind, sieht man erst an den Enkeln - Omas Weisheit.«


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