PLATTENBAU
Eine zarte Banjo-Melodie erklingt - gespielt von Pete Seeger. Dann setzen E-Gitarre und Bass ein und Ani DiFranco, Singer-Songwriterin und politische Aktivistin, hebt zu singen an. Es kommen Schlagzeug, Percussion und Mellotron hinzu, nach einigen Minuten auch ein Kinderchor und eine Blaskapelle. Geboten wird der kämpferische Song »Which Side Are You On?«, 1931 bei einem bitteren Bergarbeiterstreik in Kentucky spontan von der Frau eines Gewerkschafters geschrieben, nach dem der Sheriff sie und ihre drei Kinder bedroht hatte.
Als Ani DiFranco 2009 an einem Konzert in New York anlässlich von Pete Seegers 90. Geburtstag teilnahm, kam sie auf die Idee, den alten Song mit neuem Text aufzunehmen. In ihrer Version geht es um gestohlene Wahlen, Korruption, Krieg, Reaganomics, Frauenrechte und Umweltverschmutzung. Sie hat ihr neues Studioalbum, ihr insgesamt 17., nach dem Song benannt.
Veröffentlichte DiFranco früher fast jährlich eine neue Platte, so nahm sie sich nun drei Jahre Zeit. Somit konnte sie aus vielen sich angesammelten Songs auswählen. Sodann wurden die Lieder in mehreren Sessions in New York, Bogalusa (Louisiana) sowie in ihrem Heimstudio in New Orleans (Louisiana) eingespielt. Neben DiFranco an der Gitarre musizierte ihre Tourband, aber es wirkten auch hochkarätige Gäste wie Ivan und Cyril Neville von den Neville Brothers mit.
Insgesamt zwölf Songs changieren zwischen Folk, Rock, Reggae und Blues. Nur auf einem ist DiFranco - berühmt für ihr staccatoartiges Gitarrenspiel und schnelles Fingerpicking - mit ihrem Instrument allein. Herausgekommen ist - so der deutsche »Rolling Stone« - DiFrancos abwechslungsreichstes und überzeugendstes Album seit sechs Jahren. Eine Platte, die bei jedem Hören wächst.
Einige Songs bringen autobiografische Details. Die 41-Jährige schaut bereits auf ihr »aufregendes Leben« zurück, sieht sich heute friedvoller, weniger streitsüchtig als früher. Das Älterwerden wird nicht bedauert. Es erklingen Liebeslieder wie »Albacore«, der wohl schönsten Song des Albums. Ja, es geht sogar um Promiskuität. Im Mittelpunkt stehen aber die politischen Songs. Mit diesen, so DiFranco, »teste ich die Tiefen des Wassers aus. Wie weit kann ich gehen? Kann man das Wort ›Abtreibung‹ singen, das Wort ›Patriarchat‹?« In »Amendment« geht es darum, die Gleichstellung der Frau in der USA-Verfassung zu verankern (was 1982 scheiterte).
Der Song »J« ist eine Anklage gegen Öl-Magnaten, derentwegen es keine Fische mehr im Wasser und keine Vögel mehr in der Luft gibt, es geht um die Regierung von Louisiana, die nicht für die Menschen da ist, und um Präsident Obama, der doch das Format eines Franklin D. Roosevelt hätte haben können. »Hauptsache«, so beschließt DiFranco jedoch ihr Album, »man bleibt in jeder Hinsicht aufrecht / und gibt seine Liebe an seine Kinder weiter / bis nichts mehr zu sagen übrig bleibt«.
Ani DiFranco: Which Side Are You On? (tonpool)
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