LINKE-Chefin tritt zurück
Gesine Lötzschs Rückzug forciert Suche nach neuer Parteispitze
Kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen muss die Linkspartei auf ihre Vorsitzende Gesine Lötzsch verzichten. Sie war am Dienstagabend wegen des gesundheitlichen Zustandes ihres Mannes zurückgetreten. »Die Situation lässt eine häufige Abwesenheit von meinem Wohnort Berlin nicht mehr zu«, erklärte die LINKE-Politikerin am Mittwoch vor Journalisten. Der 80-jährige Sprachwissenschaftler Ronald Lötzsch musste Ende März in die Notaufnahme eines Berliner Krankenhauses eingeliefert werden.
»Ich mache keine halben Sachen«, sagte Gesine Lötzsch. Sie will aber weiterhin ihr Mandat als Bundestagsabgeordnete wahrnehmen. Ihrem Ko-Parteichef Klaus Ernst dankte sie für eine »enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit in manchmal sehr bewegten Zeiten«. Ernst sagte, er bedauere und respektiere den Schritt seiner Kollegin.
Das Spitzenduo, das die Partei seit Mai 2010 geführt hatte, war in den vergangenen zwei Jahren auch parteiintern immer wieder heftig kritisiert worden, etwa aufgrund der Einkünfte von Ernst oder Lötzschs Ansichten über Wege zum Kommunismus. Eine neue Spitze soll auf dem Parteitag in knapp zwei Monaten gewählt werden. Nach dem Rückzug von Lötzsch ist bisher Vizefraktionschef Dietmar Bartsch der einzige Bewerber für die Doppelspitze, der nach der Satzung der Linkspartei mindestens eine Frau angehören muss.
Während Klaus Ernst und Sachsen-Anhalts Landesparteichef Matthias Höhn vor einer Personaldebatte im Vorfeld der Landtagswahlen warnten, sprachen sich der Thüringer Linksfraktionschef Bodo Ramelow und Sachsens LINKE-Vorsitzender Rico Gebhardt für Dietmar Bartsch und die Partei- und Fraktionsvizechefin Sahra Wagenknecht als künftige Parteivorsitzende aus. Für die Bundestagswahl wären Oskar Lafontaine und Fraktionschef Gregor Gysi als Spitzenkandidaten die Wunschvorstellung Ramelows. Intern dürfte die Personalfrage bei der Vorstandssitzung am Samstag diskutiert werden.
Auch der Direktor der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, mischte sich in die Debatte ein. »Sollte Frau Wagenknecht Frau Lötzsch beerben, kommt die Partei vom Regen in die Traufe«, sagte Knabe. Für »die Opfer der SED-Diktatur« sei Lötzsch eine Zumutung gewesen, meinte er.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, frohlockte: »Weder Lafontaine noch Wagenknecht werden den Niedergang der Linkspartei aufhalten.« Allerdings fand er respektvolle Worte für Lötzschs Entscheidung. »Sie stellt das Menschliche über die Politik«, sagte Oppermann.
Die Erklärung im Wortlaut:
»Auf Grund der Erkrankung meines Mannes habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschieden, das Amt der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE niederzulegen. Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Meine familiäre Situation lässt jedoch eine häufige Abwesenheit von meinem Wohnort Berlin nicht mehr zu. Ich werde mich künftig auf mein Mandat als Berliner Bundestagsabgeordnete konzentrieren. Ich danke allen Mitgliedern der Partei DIE LINKE, die mich in meiner Arbeit unterstützt haben und wünsche meiner Nachfolgerin Gesundheit und Erfolg.«
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