Wahlkampf zum »tax day« in den USA
Präsident Obama setzt seinen republikanischen Herausforderer Romney auch mit Steuererklärungen unter Druck
Dieses Ritual wird alljährlich von Millionen US-Amerikanern vollzogen, aus der Mittel-, vor allem aber aus den unteren Schichten. Der »tax day« gilt vielen auch als Unterwerfungsgeste gegenüber den Finanzämtern. Grob gerechnet zahlt der Durchschnittsamerikaner ein Drittel seines Einkommens an Steuern. Da das, was er dafür vom Staat an Fürsorge, Leistungen, Infrastruktur und Zuschüssen zurückerhält, weitaus geringer ausfällt als etwa in Westeuropa, ist das öffentliche Klagen über von oben diktierte Steuerzahlungen auch lauter. An diesem »tax day« finden deshalb an vielen Orten Protestaktionen von Anhängern der rechten »Tea Party« statt, die sich über Washingtoner Steuerdiktate echauffieren. Aber der Tag wird auch von einigen Anhängern der linken »Occupy«-Bewegung aufklärerisch genutzt, um über soziale Ungleichheit und ungerechte Steuerpolitik zu informieren.
Sieben Monate vor den Präsidentenwahlen lässt sich zudem Barack Obama einen Seitenhieb gegen seinen Herausforderer Mitt Romney nicht nehmen. Die Obamas veröffentlichten gleichsam zum »tax day« mehrere Steuererklärungen. Danach verdiente der Präsident im Vorjahr 800 000 Dollar (610 000 Euro) und zahlte darauf rund 162 000 Dollar Steuern, was einer Quote von etwa 20,5 Prozent entsprach. Damit steht Romney unter Zugzwang. Denn er hatte kürzlich angegeben, 2010 bei einem Einkommen von 21,7 Millionen Dollar einen Steuersatz von 13,9 Prozent gezahlt zu haben. Das ist um einiges niedriger als das, was die gebeutelte Mittelschicht zahlt und die beide Wahlkämpfer im Blick haben. Seit mehreren Tagen wird Romney aus der Umgebung des Weißen Hauses aufgefordert, auch ältere Steuererklärungen öffentlich zu machen.
Romney steht nach dem Ausscheiden seines Mitbewerbers Rick Santorum vor allem vor der Aufgabe, die im Vorwahlkampf zerschlissene Republikanerpartei zu einigen. Er muss die ultrarechte Basis hinter sich sammeln, ohne den pragmatischen Flügel und unabhängige Wähler zu vergraulen. Da dies wegen der großen internen Differenzen kaum möglich ist, gilt der bei den Rechtsextremen verhasste Obama als Zielscheibe.
Der Präsident befindet sich nach schlechten Werten in den vergangenen Monaten wieder im Aufwind. Einer Umfrage der »Washington Post« und des Fernsehsenders ABC zufolge führt er 51 zu 44 Punkte gegenüber Romney. Obama ist einer Mehrheit der Befragten nicht nur sympathischer. Er gilt auch als besserer Beschützer der Mittelschicht, genießt das Vertrauen in Sachen Arbeitsplätze und hat in der Außenpolitik einen großen Bonus. Doch gilt Romney 47 Prozent der Befragten als wirtschaftlich kompetenter, Obama kommt hier nur auf 43 Prozent. So versucht der Republikaner auch, sich als sachkundiger Wirtschaftsmanager in Szene zu setzen, und beschuldigt Obama, in Wirtschaftsfragen »total zu versagen«. Obama wiederum wirft Romney »Sozialdarwinismus« vor.
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