Niebel im Blindflug

Organisationen kritisieren fehlende Strategien deutscher Entwicklungspolitik

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Welthungerhilfe und das Kinderhilfswerk terre des hommes stellen der deutschen Entwicklungshilfepolitik ein vernichtendes Zeugnis aus. Die Konzepte seien isoliert und würden den neuen globalen Herausforderungen nicht gerecht, heißt es in einer am Dienstag vorgestellten Studie der beiden Organisationen.

Ist Deutschlands Entwicklungshilfe noch zeitgemäß? Die am Dienstag veröffentlichte Studie von Welthungerhilfe und terre des hommes lässt da ernste Zweifel aufkommen. Was fehle, sei »ein stimmiges Gesamtkonzept, das den neuen globalen Herausforderungen gerecht wird«, heißt es dort. Statt nationalstaatlicher Alleingänge bräuchte es globale Kooperationen - etwa mit den aufstrebenden Schwellenländern China, Brasilien oder Indien. Entwicklungsziele für einzelne Länder seien »Schnee von gestern«, betonte die Vorsitzende von terre des hommes, Danuta Sacher, bei der Vorstellung der Studie »Die Wirklichkeit der Entwicklungspolitik«.

Die zunehmenden Konflikte um knapper werdende Rohstoffe bereiten den Autoren ebenso Sorge wie die fragwürdige Praxis der Bundesregierung, Entwicklungshilfe auf Pump anzubieten. Dies treibe die armen Länder tiefer in die Verschuldung. Zudem steige so die Gefahr, dass sich die Zusammenarbeit auf zahlungskräftige, also kreditwürdige Länder konzentriere, erklärte Sacher.

Harsche Kritik erntete Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) auch für die von ihm forcierte Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft. Dabei würden die »Zielkonflikte« zwischen Privatwirtschaft und Entwicklungspolitik ausgeblendet.

Anstatt sich auf Infrastrukturprojekte zu konzentrieren, sollte das Bundesministerium die Zivilgesellschaften vor Ort stärken, empfiehlt der Bericht. Zudem bemängeln die Entwicklungshelfer, dass die ressortübergreifende Kooperation zwischen Niebels Ressort und den Ministerien für Finanzen, Wirtschaft oder Umwelt nicht richtig funktioniere.

Minister Niebel reagierte umgehend, vermied es aber, die strittigen Punkte des Berichtes anzusprechen. Stattdessen verteidigte er sich gegen Vorwürfe, die so gar nicht erhoben worden waren: »Mitnichten haben wir die Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt«, ließ Niebel verlauten. So habe man den Etat das dritte Mal in Folge steigern können und investiere mehr Mittel als je zuvor. Das habe ihm die OECD gerade erst bescheinigt, so Niebel. Dabei kritisiert die Organisation regelmäßig das geringe Engagement Deutschlands.

Tatsächlich landet die Bundesregierung unter den reichen Geberländern nur auf Rang vier: Hinter den USA, Großbritannien und Frankreich. Zudem hat die Welthungerhilfe 2011 errechnet, dass die Ausgaben für die Entwicklungshilfe im Verhältnis zur Wirtschaftskraft mit 0,38 Prozent geringer waren als im Gründungsjahr von Niebels Ministerium 1961. Angesichts dieser Zahlen darf bezweifelt werden, dass die Bundesregierung ihr Versprechen aus dem Jahre 2005 einhält, wonach sie bis 2015 mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zur Verfügung stellt.

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