Der Bürgerrechtler

»Sing Your Song« von Susanne Rostock

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

Der alte Kampfgeist wohnt noch in ihm, aber dass es fünfzig Jahre nach den ersten üblen Erfahrungen mit Rassismus immer noch die selben Probleme sind, mit denen sich die Welt herumschlägt, das nötigt ihm doch eine gewisse Bitterkeit ab. Harry Belafonte ist letzten Monat fünfundachtzig geworden, und nach der deutschen Ausgabe seiner Autobiografie erscheint zur Feier des Datums nun auch der Dokumentarfilm über sein Leben und Denken im Kino. Letztes Jahr wurde er schon auf der Berlinale gefeiert.

Das heißt: gefeiert wurde der Mann, nicht in erster Linie der Film. Er stammt von Belafontes eigener Firma (seine jüngste Tochter gehört zu den Produzenten, soll ihn zu dem Film gedrängt haben) und schrammt am Ton unkritischer Hagiographie zumindest immer mal vorbei. Wobei zu sagen ist, dass dieses Leben zu bewundern, sich geradezu aufdrängt, da muss man gar nicht verwandt und verschwägert sein. Ein Mann, der die gerechte Sache zeitlebens höher schätzte als das Anhäufen von Besitztümern, ein Freund und Weggefährte von Martin Luther King Jr. und lebenslanger Kämpfer gegen Rassismus, Armut, Unrecht und Unterdrückung, ein Star, der sich in seiner Bekanntheit nicht nur sonnte, sondern sie auch in die schattigen Ecken gesellschaftlicher Vorurteile trug und dort für etwas Licht und Lüftung sorgte - wer wollte so einen Mann nicht bewundern.

Und dazu noch dieses Lachen, diese Stimme, der schöne Kopf und die mit einem augenzwinkernden Blick auf die Gelüste seines Publikums stets halb geöffnete Hemdbrust, die Tanzbewegungen, die gesamte, geschickt nur gerade eben ethnisch angehauchte Kostümierung - Belafontes pädagogisch wertvoller, dabei uneitler und sehr vergnügter Auftritt in der dritten Staffel der »Muppets Show« gehört nicht zufällig zum besten, was je aus der genialen Puppenkiste von Muppet-Schöpfer Jim Henson kam.

Nein, es fällt nicht schwer, Belafonte zu verehren. Auch wenn er ein serieller Ehemann und abwesender Familienvater, ein Vielgeliebter und vielfach Liebender genannt werden muss, an und für sich keine wirkliche Empfehlung, ein Getriebener beinahe, der zeitlebens keine gute Sache stehen lassen konnte, die seinen Gerechtigkeitssinn kitzelte.

Seine eigene Kindheit in Harlem war von Armut und der ständigen Angst vor der Einwanderungsbehörde gezeichnet, der er auch seinen Nachnamen verdankt - denn eigentlich hieß der Vater dieses Sohns illegaler Einwanderer aus der Karibik gar nicht Belafonte. Diese Schreibweise ergab sich erst nach mehrfacher leichter Abwandlung des Familiennamens, damit die Fremdenpolizei die Familie im Gewirr der Einwandererwohnungen nicht so schnell wiederfinden konnte. Als Belafonte nach dem Zweiten Weltkrieg von der Kriegsmarine abmusterte, hoffte er wie viele seiner farbigen Mitkämpfer auf eine praktische Anerkennung seines Kriegsdienstes und auf Chancengleichheit beim Wiedereinstieg in eine bürgerliche Existenz.

Weil davon nicht die Rede sein konnte, wurde er Hilfshausmeister. Und bekam eines Tages von einem Mieter, der ihm für die Reparatur seiner Jalousie danken wollte, Karten für eine Veranstaltung des American Negro Theater geschenkt. Der Rest ist Geschichte. Belafonte traf auf Sidney Poitier und später auf Paul Robeson, er wurde erst Schauspieler, dann auch Sänger, und musste auf Tournee erleben, wie man ihn einerseits als Star der Show feierte und andererseits nicht in der Hotel-Lobby sehen wollte, in der nur Weiße Zutritt hatten. Er schrieb Filmgeschichte, als er 1957 in »Heiße Erde« als karibischer Gewerkschaftsführer eine Affäre mit einer weißen Dame der Gesellschaft haben »durfte« - sein Ko-Star Joan Fontaine soll tonnenweise Drohbriefe erhalten haben.

Als aktiver Unterstützer der Bürgerrechtsbewegung geriet Belafonte in den Blick des FBI, das eigens einen Undercover-Mann auf ihn ansetzte. Er engagierte sich in Südafrika gegen die Apartheid, aber bei der Vereidigung seines Helden Nelson Mandela als Präsident von Südafrika fehlte er trotzdem. Die offizielle Einladung, als Teil der US-Delegation in der Präsidentenmaschine nach Südafrika zu reisen, lehnte er ab, weil ihm die Außenpolitik der Clinton-Regierung in Haiti nicht passte - ein konsequenter Mann, der den Werbewert seines Gesichts und Namens kannte und ihn selbst um der richtigen Gelegenheit willen nicht an die falschen Leute verschenken mochte.

»Sing Your Song« ist kein unabhängiger Dokumentarfilm über eine interessante, bisweilen auch sperrige Persönlichkeit der Musik- und Zeitgeschichte, sondern eine persönliche Lebensbilanz, eine resümierende Selbstdarstellung, eine Plattform für Belafonte und seine Weggefährten, über Belafonte und den gemeinsamen Weg zu sprechen. Unbedingt sehenswert ist der Film vielleicht gerade deshalb.

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